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naraya

Posted on 15.6.2022

Zwei Frauen, die auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein könnten: Marian Graves, ohne ihre Eltern aufgewachsen, ein Wildfang mit dem Traum, Pilotin zu werden. Um dieses Ziel zu erreichen, muss sie zahlreiche Hindernisse überwinden – die meistens mit Männern und ihren Vorstellungen von der Welt zu tun haben. Auf der anderen Seite Hadley Baxter, Hollywoodschauspielerin, eine junge Frau, die von einem Skandal in den nächsten schlittert. Sie soll in ihrem neuen Film Marian verkörpern und damit einen Imagewechsel einleiten. In zwei parallelen Strängen erzählt Autorin Maggie Shipstead die Geschichte der beiden Frauen. Der Fokus liegt jedoch klar auf Marian, die wir durch ihr gesamtes Leben begleiten. Die Handlung umfasst die Jahre 1909 (noch vor Marians Geburt) bis 1950, als sie versucht, die Erde in der Längsachse zu umrunden und in der Antarktis verschwindet. Hadley hingegen erleben wir in den Jahren 2014 und 2015 in der Vorbereitung auf die Rolle der Marian. Der Autorin gelingt es, mit ihren Worten einen wahren Sog zu erzeugen und vor allem Marians Erzählstrang ist unglaublich interessant, spannend und auch überraschend. Anhand von Marians ungewöhnlichem Leben zeichnet Maggie Shipstead das Bild einer jungen Frau, die sich immer wieder gegen die Dominanz von Männern wehren muss; sei es im Persönlichen in ihrer Ehe oder im Beruflichen bei dem Versuch, als Pilotin in einer reinen Männerdomäne anerkannt zu werden. Es ist bewundernswert, wie sie sich ihre Träume erkämpft, auch wenn ihr dies jede Menge Opfer abverlangt. Im Gegensatz dazu verblasst Hadley als Figur leider völlig. Im Grunde dient ihr Handlungsstrang nur dazu, Geheimnisse über Marians Leben aufzudecken, die diese nicht mehr selbst enthüllen kann. Das ist zwar durchaus ein handwerklich guter Kniff, ich hätte mir jedoch gewünscht, die Autorin hätte Hadley etwas mehr Persönlichkeit und etwas weniger Klischee des Hollywoodsternchens verpasst. Für mich steht der Roman dennoch völlig zurecht auf der Shortlist für den Women‘s Prize 2022 und ich würde ihn Maggie Shipstead wirklich sehr gönnen.

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