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Buchdoktor

Posted on 26.4.2022

Rachel Cameron stammt von schottischen Einwanderern ab, arbeitet als Lehrerin und lebt schon immer mit ihrer Mutter im ehemaligen Elternhaus. Eine Frau, die in Manawaka keinen Landwirt heiraten will, muss in eine größere Stadt ziehen oder bleibt lebenslang Single. Durch ihr Leben unter der Fuchtel einer manipulativen Mutter und weil sie ihren Heimatort nie verlassen hat, ist Rachel immer Kind geblieben. Ihre Mitmenschen haben wie sie die irritierende Angewohnheit, Gesagtes stets gleich wieder abzuwiegeln oder zurückzunehmen und – völlig logisch – von anderen zu erwarten, dass sie nicht meinen, was sie sagen. Auf mehreren Ebenen hat Rachel sich festgefahren, sie wagt weder eine Auseinandersetzung mit ihrer Mutter, noch mit ihrem Rektor, noch mit der leicht missionarischen und dabei herzensguten Kollegin Calla. Die Meisterin der Killerphrasen ermahnt sich selbst, dass wegen ihrer Mutter eben keine andere Lebensweise möglich ist. Als Rachel einen ereignislosen Sommer vor sich hat, den sie vor sich selbst mit der angeschlagenen Gesundheit ihrer Mutter rechtfertigt, trifft sie Nick, der in der Schule im Jahrgang über ihr war. Nick hat Manawaka aus Gründen verlassen, die Rachel nur zu vertraut sind, und ist seitdem selten zu Besuch gekommen. Mit Nick und Rachel steht sich die unversöhnliche Spaltung im Ort gegenüber. Sein Vater kam aus der Ukraine und war Landwirt und Milchmann, der anfangs die Milch noch mit dem Pferdegespann ausfuhr. Einwanderer aus Schottland stellten natürlich etwas Besseres dar, so dass Rachel und ihre Schwester nicht mit Kindern aus ukrainischen Familien spielen durften. Mit einer zarten Liebe zu Nick keimt auch die Hoffnung in Rachel, dass Nick sie aus ihrem selbst konstruierten Gefängnis namens Provinz retten wird. Doch wie soll das gehen, wenn beide den Dingen stets verklausuliert ausweichen? Und was erwartet Rachel eigentlich von einem Partner, der ihr beim Rausgehen achtlos die Aufforderung hinwirft: Liebling, du kümmerst dich dann bitte darum, dass du nicht schwanger wirst. Das Nachwort ... von Margaret Atwood (*1939) ordnet den Roman mit seiner Bedeutung für die kanadische Literatur ein. Als Atwood mit 27 Jahren das Buch erhielt, war Laurence eine der wenigen kanadischen Autorinnen überhaupt. Die jüngere Kollegin erkannte voller Ehrfurcht die Qualität des Textes und die Bedeutung des Stoffs für die Darstellung der Frauen- und Mutterrolle in der Literatur. Fazit Der 2. Band des Manawaka-Zyklus wirkt ungeheuer bedrückend, weil Rachel (völlig anders als die Figuren im „Steinernen Engel“) nie vom Weg zwischen Schule und Wohnung abweicht und jeden Kontakt brüsk abwehrt. Sie hat sich mit ihrem eingeschränkten Blickwinkel so festgefahren, dass ich mir nicht vorstellen konnte, wie Margaret Laurence ihre Figuren aus der Situation herausschreiben würde. Doch es kommt zu einer überraschenden Wende. Rückblickend können wir uns heute nur schwer vorstellen, dass es bei Erscheinen des Romans 1966 im ländlichen Kanada kein anderes Familienmodell gegeben haben sollte, als dass eine Lehrerin entweder allein blieb oder ihren Beruf aufgab, um einen Farmer zu heiraten. --- Der Manawaka-Zyklus The Stone Angel (1964), A Jest of God (1966) und The Fire-Dwellers (1969) schrieb Laurence noch in England nach der Trennung von ihrem Ehemann. Eine breite Leserschaft erreichte sie in Kanada, wo sich Laurence mit der Trilogie als eine der bekanntesten Schriftstellerinnen etablierte. The Stone Angel ist bis heute ihr meistgelesenes Werk. 1974 wurde die Manawaka-Serie mit The Diviners abgeschlossen, ein Roman, der verschiedene Figuren aus den früheren Teilen aufgreift und als ihr ambitioniertestes Werk gilt. Weitere Romane veröffentlichte sie danach nicht mehr; sie beschränkte sich auf Essays und Kinderbücher.

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