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evaczyk

Posted on 22.4.2022

Schrill, queer und unterhaltsam Transfrau Vicki Victoria steht nicht nur fest im Leben, sie bewältigt es auch auf Stiletto-Absätzen - egal ob sie als V-Frau der Münchner Polizei unterwegs ist oder als Unterhaltungskünstlerin. Doch nun droht Ungemach in der Münchner Dachgeschosswohnung, wo Vicki sich nach einer eher freudlosen Jugend in der niederbayrischen Provinz neu erfinden konnte. Denn Toni Besenwiesler, der sie in der Schule, damals noch äußerlich ein Junge, grausam drangsalierte, ist aus dem Gefängnis ausgebrochen - und er schwört Vicki Rache. Sie, so glaubt er, hat dafür gesorgt, dass er einen Mord verurteilt wurde, den er nicht begangen hat. Ich-Erzählerin Vicki, die Protagonistin in Gloria Grays schräg-ironischem Cozy Krimi "Zurück nach Übertreibling" weiß: Mit dem Besenwiesler Toni kann man nicht diskutieren. Bleibt also nur die Flucht, doch schon das Treffen mit Clan-Chef Ahmet, mit dem der Geflohene ebenfalls eine Rechnung offen hat, endet exklusiv. Und dann wird auch noch die befreundete Nachbarstochter und Social Media-Influencerin Kathi entführt. Um das geplante Rache-Feuer zu löschen, bleibt Vicki nur eines übrig: Zurück nach Übertreibling, in das Heimatkaff, in dem alles begann. Der Ortsname Übertreibling ist hier Programm: Krimi-Realisten mögen sich die Haare raufen, Logik und Stringenz vermissen. Hier übertreibt die Autorin nach Herzenslust, eine Figur ist schräger und exzentrischer als die nächste, kein Klischee, das nicht genüsslich ausgereizt und auf die Spitze getrieben wird. Nicht genug, dass zum Personeninventar außer derb-rustikalen Niederbayern die Mitglieder einer tierliebenden Motorradgang, einer türkischen Clanfamilie mit ausgerechnet griechischem Nachnamen, teils faule, teils korrupte Polizisten und eine alternde Diva gehören. Vicki Victoria kommentiert alle Geschehnisse gewissermaßen in Dauerschleife, schweift dabei gerne mal ab zu philosophiert nebenbei über Gendersternchen und die Absonderlichkeiten der social media-Kultur. Meinungsstark ist sie allemal und niemals auf den Mund gefallen, selbst wenn das Fehlen einer Perücke eine mittlere Daseinskrise auslösen kann. Eigentlich klar, dass bei Vickis Hobby-Ermittlungen jede Menge Verwicklungen auftauchen und nichts ohne viel Drama geschehen kann, sozusagen mit Glitzereffekt und high heels Staccato. Je nach Gemütszustand des Lesers kann so eine Plaudertasche wie Vicki anstrengend sein oder erheiternd. Mit einem offensichtlichen Augenzwinkern geschrieben, sollte es auch so gelesen werden. Bei aller Exaltiertheit hat sich Vicki eine bajuwarische Offenheit bewahrt und das Herz stets auf dem rechten Fleck.Ich habe mich köstlich amüsiert und hoffe auf ein Wiedersehen mit Vicki Victoria. Immerhin: Im Oktober soll ein Folgeband erscheinen.

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