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Dagmar

Posted on 8.2.2022

Niemals könnte ich einen Comic nicht lieben, in dessen Mittelpunkt eine Heldin wie Madeleine steht. Eine blinde, alte Dame, die ein absolut eigenständiges Leben führt und mit einem hinterfotzigen Humor gesegnet ist. Nur der Neue im Dorf, ein schwarzer Feuerwehrhauptmann, ist ihr gewachsen. „Wenn sie jetzt nicht mit mir reden und mich aus dem Haus werfen, sage ich allen, dass das daran liegt, dass ich schwarz bin. Egal ob sie blind sind.“ Ihm erzählt sie, warum sie ihr Haus auf den Klippen der Steilküste nicht verlassen möchte – obwohl sie weiß, dass es bei einem der nächsten Stürme abstürzen wird. Denn während die Dorfbewohner sie für eine sture alte Frau halten, die die Gefahr nicht sieht, weiß Madeleine sehr wohl, was sie tut: auf den Tod warten. Derweil erlaubt sie sich Späße mit der Begriffsstutzigkeit der Dorfbewohner und treibt den Bürgermeister, der sie ins Altersheim verfrachten will, in den Wahnsinn. Doch vor allem lässt sie es sich gut gehen und schwelgt in Erinnerungen, die für sie alle mit ihrem Haus verknüpft sind. Genau wie Madeleine die Dorfbewohner täuscht auch der Zeichenstil die Leser. Er wirkt zugänglich, vertraut und typisch belgisch-französisch. Die Graphic Novel beginnt mit einem Fischmarkt, der an Asterix erinnert. Die Protagonisten könnten alle aus einem gewissen gallischen Dorf kommen – doch sie haben mehr Tiefe, genau wie die Geschichte. Ganz großartig fand ich die Episode mit Madeleines Sommerspaziergang. Hier wird so wunderbar gezeigt, wie die blinde alte Dame ihre Umwelt erlebt – all die Geräusche, das sinnliche Erleben der Sonnenstrahlen und den Geruch des Joints der Dorfjugend. Natürlich gibt es auch in diesem Comic eine tierische Nebenrolle. Balthasar, ein dicker Kater. Schon allein, wie Madeleines Fürsorge für den Kater mit ihren Erinnerungen an ihren verstorbenen Mann verknüpft wird, ist ganz, ganz große Comic-Kunst!

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