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evaczyk

Posted on 22.11.2021

Als Serie "Babylon Berlin" ein Hype hat die Romanvorlage von Volker Kutscher zu dem in der Spätphase der Weimarer Republik und den ersten Jahren des Dritten Reichs ermittelnden Kommissars Gereon Rath ebenfalls treue Fans. Wer den bislang letzten Band der Reihe gelesen hat, zweifelt angesichts der Entwicklung in "Olympia", ob eine Fortzsetzung dieses achten Bandes überhaupt möglich ist. Düster, schillernd, brutal und voller Herausforderungen ist die Welt, in der sich Rath und seine Frau Charlotte bewegen. Und die größte Herausforderung von allen bleibt dabei womöglich: Wie bleibt man ein anständiger Mensch in einer Zeit, in der Fanatismus, Naziideologie und blinder Gehorsam auch in Kollegenkreisen zur neuen Normalität wird? Für Fans gibt es jetzt das gemeinsame Buch "Mitte" von Kutscher und der Illustratorin Kat Menschik. Dabei ist es auf jeden Fall von Vorteil, die Bücher der Gereon Rath-Reihe zu kennen, insbesondere "Olympia". Mit einem Briefroman haben die Autoren für das im Stil der 30-er/40-er Jahre illustrierte Buch auch ein neues Format gewählt. Im Mittelpunkt steht als Briefschreiber der 16-jährige Fritze Thormann, ehemaliger Pflegesohn der Raths, der nach den Ereignissen in "Olympia" untertauchen musste und unter falschem Namen in Berlin bei einem Kohlehändler arbeitet, während Gestapo und Jugendamt ihn weiter suchen. Unter einer postlagernden Adresse nimmt er Kontakt zu Charlie Rath auf - und zu Hannah Singer, die als Jüdin ebenfalls unter falschem Namen in Breslau lebt und ebenfalls Lesern der früheren Romane bekannt ist. In seinen Briefen berichtet Fritze von seinem Alltag, seinen Träumen und einer Zufallsbegegnung, die an die dramatischen Ereignisse des Olympiasommers anknüpft. Dabei gerät er in Lebensgefahr und muss eine Entscheidung für seine Zukunft treffen. Auch wenn in den Briefen des Jugendlichen ein leichter Ton angeschlagen wird und Fritze sich trotz all seiner Erfahrungen vor allem als "deutscher Junge" sieht, der die Distanz zu den Nationalsozialisten noch nicht gefunden hat, enthält der schmale Band ähnlich düstere Elemente wie die Romane. Das Ende steckt voll offener Fragen und schlimmer Befürchtungen. Aber das sind Kutscher-Fans ja schon gewöhnt. Bleibt die Hoffnung, dass das nicht der endgültige Schlusspunkt ist, den Kutscher gesetzt hat.

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