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gwyn

Posted on 30.10.2021

«Die Toskana ist eine der schönsten und damit liebsten Urlaubsregionen in Italien – zumindest aus unserer Sicht hier nördlich der Alpen. Als waschechte Sizilianierin war Cettina Vicenzino diese Liebe und Faszination für eine Region immer etwas unbegreiflich. Nun begibt sie sich selbst auf Spurensuche und erkundet, warum die Toskana als (kulinarische) Reisedestination schlechthin gilt. Sie fragt sich dabei: Was ist wirklich toskanisch, was bedeutet es, ein echter Toskaner, eine echte Toskanerin zu sein? Und was wird eigentlich wirklich in der Toskana gekocht und gegessen?» Aber die Autorin hat nicht nur Rezepte mitgebracht – wobei sie Wert darauf legt, dass dies Werk als Lesebuch zu werten ist, weil man Rezepte besser «mit dem Zusammenhang der restlichen Buchseiten versteht». Und die Rezepte verstehen sich nicht grundsätzlich traditionell – nämlich ohne Kindheitserinnerung – ein Spaziergang durch die Küchen der heutigen Toskana. Gerichte, die man hier und dort ähnlich gegessen hat, nachgekocht, ein wenig variiert, Originalrezepte, die die Autorin erhalten hat. Es ist ein Spiegel der heutigen Toskana. Dazu präsentiert sie uns spannende Geschichten und Porträts interessanter Menschen von Köch*innen, einer Winzerin, bis hin zum Eismann, Fotos mit Eindrücken zu Land und Menschen, Tradition. 70 Rezepte umrundet von Wissenswertem, Kuriosem und Humorigem. Wer hat das Tiramisu erfunden? Als Tipp: die «zuppa inglese» spielte dabei eine Rolle ... Klassiker wie Panzanella; Aqua cotta; Pappardelle; Gnudi toscani, die Spinat-Ricotta-Knödel; Bohneneintopf mit Salsiccia und Mangold; Schiacciata all´olio, ein toskanisches Fladenbrot mit Olivenöl; oder Bistecca alla Fiorentina; Pici mit Knoblauch-Tomatensauce; – aber auch weniger Bekanntes wie Kastanienküchlein mit süßsauren roten Zwiebeln; «Tonno del Chianti», sozusagen ein Fake-Thunfisch, nämlich eine gekochte, in Öl eingelegte Schweinekeule. Ein wiederentdecktes Rezept aus der Zeit, als es noch keinen Kühlschrank gab und das Fleisch konserviert werden musste. «Kaum ein Gericht kommt in der Toskana ohne Brot und Tomaten aus.» Gleich zu Anfang präsentiert uns die Autorin es einige Brot- und Crostinirezepte: Crostini mit Bohnen, Lardo und Salbei; Crostini mit Artischocken-Ziegenkäsecreme und Steinpilzen. Und weil das Brot nur einmal wöchentlich gebacken wurde, gibt es eine Menge Rezepte, in denen Brot, je nach Trockenheitsgrad, verwendet wurde. Brot und diverse Fladen, nicht die Pasta ist der Klassiker! Auch in der Toskana herrscht das sogenannte Arme-Leute-Essen vor. Die Polpete in Tomatensoße werden aus altbackenem Brot, Pecorino, Eiern und eingelegten Tomaten hergestellt, eine andere aus Canelli-Bohnen und Emmerkörnern. Zum «Testaroli con Spezzationo di Cinghiale», Wildschweingulasch, gibt es Testaroli, kleine Fladen, ein Rezept aus Lunigiana, die man verfeinert auch als Antipasti servieren kann. Toskanisches Fladenbrot mit Olivenöl oder süßes Traubenbrot mit Rosmarin, es gibt interessante Brotrezepte. Es folgen Tomatenrezepte. Auch Bohnen gehören zu den Grundnahrungsmitteln: Suppen, Antipasti und leckere Kichererbsenfladen. Valeria, eine Sterneköchin kommt hier zu Wort. Später erfahren wir etwas über Monica, eine Schäferin, die bei Luca Produkte aus Schafs- und Ziegenmilch herstellt. Emmer, eine der ältesten Getreidesorten, wird auch Zweikorn genannt, ist eine Pflanzenart aus der Gattung Weizen. In der Toskana wird mit dem Mehl viel gebacken, aber auch in Eintöpfen sind Emmerkörner als sättigende Einlage willkommen. Es gibt eine Menge fleischlose Rezepte! Scarpaccia, übersetzt, alter, zertretener Schuh, ist ein Ofenpfannkuchen, der aus Zucchini, Mehl, Milch und Eiern hergestellt wird; ein bäurisches Gericht aus dem Raum Lucca, das man salzig wie süß zubereiten kann. Das Ganze wird im Ofen gebacken und ist ein wunderbar leichtes Essen. Pasta ist rar in der Toskana, ein wenig Spaghetti, traditionell Pici, Strigoli und Pappardelle, die Käse-Tortelli mit Ricotta-Pecorino-Füllung will man gleich ausprobieren. Die Herstellung der Pici per Hand, man könnte sie als dicke Spaghetti bezeichnen, ist eine aufwendige Sache, wie man sieht. Und wir erfahren, es ist eine Traditionsnudel aus dem Raum Siena, die bis zu den Etruskern zurückführt. Es gibt natürlich auch Fischgerichte, Fischeintopf aus Livorno; Tintenfisch in Gemüsesauce; Klippfisch in Sesamkruste und am Ende etwas Süßes: Vanille-Eis mit Safran, Orange und Pinienkernen; Torta della Nonna; Tiramisu (das Original) mit Vin-Santo-Creme und Cantucci. Alles in allem ist dieses Buch, ich will es nicht Kochbuch nennen, sehr lesenswert. Einfache Gerichte – doch so geschmackvoll. Weniger ist oft eben mehr. Denn neben den Rezepten gibt es eine Menge Erstaunliches und Wissenswertes zu erfahren, das sehr humorvoll präsentiert. Cettina Vicenzino macht keinen Hehl daraus, dass sie die Verehrung der Toskana skeptisch betrachtet, sie forscht, probiert aus, geht den Dingen auf den Grund. Genau das, dieser kleine Sarkasmus, macht das Buch so liebenswert. Neben den Rezepten gibt es Fotos dieser Toskanareise von Land und Leuten. Absolut empfehlenswert! Zum Ende gibt es ein Register nach Hauptzutaten gegliedert und eine Adressenliste. Cettina Vicenzino ist eine renommierte italienische Kochbuchautorin. Ihre Eltern betrieben ein italienisches Restaurant, in dem sie von klein auf mit in der Küche stand. Sie gilt als Expertin für die italienische Küche und ist bekannt dafür, Rezepte mit kulturhistorischen Zusammenhängen zu erklären. Ihre Kenntnisse hat sie auf zahlreichen Reisen durch alle Regionen Italiens angesammelt. Für ihr Buch «ITALIA» erhielt sie als Erstplatzierte den ‹Gourmand World Cookbook Award› als bestes italienisches Kochbuch der Welt. Heute arbeitet sie als Kochbuchautorin, Fotografin, Rezeptentwicklerin und Foodstylistin.

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