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naraya

Posted on 1.10.2021

Alles beginnt mit einem Eklat. Während der Geburtstagsfeier ihrer Mutter Lena wird Edi(ta) im Hof zusammengeschlagen – Lena und ihre Freundin Tatjana beugen sich über sie, Tatjanas Tochter Nina beobachtet alles aus der Entfernung. Zwei Mütter, zwei Töchter und dazwischen jede Menge ungesagter Dinge, über das eigene Leben, die Zukunft, aber vor allem die Vergangenheit in der Sowjetunion. In „Im Menschen muss alles herrlich sein“ erzählt Sasha Marianna Salzmann die Handlung aus wechselnden Perspektiven und über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten. Ich-Erzählerin Nina kommt nur drei Mal kurz zu Wort, ihre Passagen sind jedoch nicht weniger eindrücklich. Den größeren Teil nehmen Lenas und Tatjanas Leben in der Sowjetunion, die Flucht und der Neuanfang in Deutschland ein. Edi erleben wir in der Gegenwart in Berlin und auf dem Weg zu bewusster Geburtstagsparty. Salzmann gelingt es, in klaren Worten und Sprachbildern die Situation der vier Frauen einzufangen. Lena studierte ursprünglich Medizin, um ihrer psychisch kranken Mutter zu helfen; in Deutschland darf sie nur noch Krankenschwester sein und sich um die Tochter und den arbeitslosen Mann kümmern. Auch Tatjana landete, schwanger mit Nina, in Berlin. In der Gegenwart verheimlicht sie etwas und Familie und Freunde schauen auf sie herab, weil sie allein lebt. Beiden Frauen fällt es schwer, über die Vergangenheit zu sprechen und beide liebe ihre Töchter sehr, wenn sie auch deren Verhalten nicht immer verstehen. Edita und Nina führen ein eigenes Leben, dennoch kommen sie nicht richtig von der Familie und der Vergangenheit los. Nina leidet unter Ängsten, verbringt die meiste Zeit in ihrer Wohnung und beschäftigt sich mit dem Zerfall der Sowjetunion. Edita überlegt, während ihres Volontariats eine Dienstreise in die Ukraine zu machen. Zur Metapher für diese Situation wird im Roman die Giraffe des georgischen Malers Pirosmani. Da er selbst nie eine gesehen hatte, malte er das Tier aus seiner Vorstellung - auch Edita und Nina bleibt nur ihre ganz eigene Vorstellung von der Lebensrealität ihrer Mütter. Ein Roman, den ich sehr gerne auf der Shortlist gesehen hätte.

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