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wandanoir

Posted on 30.8.2021

Harlem in den 60ern. Das Leben in New York ist nicht für alle gleich. Die Reichen wohnen in gediegenen Wohnvierteln und werden von der meist weißen Polizei beschützt. Hier gilt „Die Polizei, dein Freund und Helfer“. Aber die Polizei ist nicht so wie sie erscheint, hilfreich und gut, sondern in der Wolle gefärbt und korrupt bis ins Mark. Das wissen die Bewohner der späten 1950er und frühen 60er Jahre in Harlem genau, überwiegend wohnt hier die schwarze Bevölkerung. Selten setzt man einen Fuß dorthin, wo die Weißen agieren, das ist eine andere Welt, ein eigener Planet. Wollen die Schwarzen in Harlem mit der Polizei klar kommen, heißt es, zu bezahlen oder zu rennen. Man bezahlt aber nicht nur die Bullen, auch die Kriminellen werden geschmiert, damit sie einen in Ruhe lassen und man seine Geschäfte abwickeln kann. Es ist ein kompliziertes Lavieren für Menschen, die gerne aus dem Sumpf der Kriminalität herauskommen möchten und ehrbare Bürger sein wollen. Es hilft weder Studium noch Wille, man muss das Geflecht der gegenseitigen Abhängigkeiten kennen. Und selbst dann, schafft man es höchstwahrscheinlich nicht. Der Roman „Harlem Shuffle“ richtet den Scheinwerferstrahl auf drei Zeitabschnitte des Lebens des schwarzen Möbelhändlers Raymond Carney, Inhaber von Carneys Furniture. 1959 laufen die Geschäfte schleppend, aber einigermassen zufriedenstellend. Ray läuft unter dem Schirm. Aber dann wirft sein Cousin Freddy seinen Namen in den Ring der organisierten Kriminalität und Ray ist nicht länger unsichtbar. Das heißt, Ray muss sich neu erfinden. 1961 sitzt Raymond nächtelang wach und sinnt auf Rache, weil ihn ein ranghoher Schwarzer gelinkt hat und ihm den Zugang zum DumasClub absprachewidrig verwehrt hat und 1964, als Raymond eigentlich gesettelt ist, gerät die Welt aus den Fugen. Aber Raymond ist endlich im Club, wo die wichtigen Geschäfte besprochen und gemacht werden. Er hat es geschafft, soweit man es in seinem Milieu schaffen kann, allerdings ist seine Weste nicht so weiß geblieben, wie er es sich gewünscht hätte, und er hat einen Trauerfall zu verzeichnen. Der Kommentar: Dass Colson Whitehead seinen Roman in die Historie einbettet, Zitat von Marc Pitzke Spiegel Online, vom 17.07.2014 : -- „Der gewaltsame Tod des Teenagers James Powell am 16. Juli 1964 durch einen weißen Polizisten löst die schwersten Rassenunruhen aus, die New York City seit Kriegsende erlebt hatte. Sechs Tage und sechs Nächte lang lieferten sich Abertausend aufgebrachte Schwarze Straßenschlachten mit der Polizei“. -- macht den Roman ganz besonders lesenswert. Bedrückend auch. Weil man unter dem Eindruck kürzlicher Vorkommnisse und Berichterstattung, das Gefühl hat, es hätte sich nichts Entscheidendes verbessert. Der feine Humor Whiteheads, der unterschwellig ständig zu spüren ist, macht den Roman außerdem zu einem richtigen Lesevergnügen. Kostprobe: „Harlem war so groß und hektisch, dass die Polizei keine Zeit hatte, die Leute so zu schickanieren, wie sie es gerne getan hätten“. „Das Hotel Theresa auszurauben war so, als würden man gegen die Freiheitsstatue pinkeln“. „Es war schön, in einer solchen Nacht unterwegs zu sein und ein linkes Ding zu drehen“. Auch das legendäre Hotel Theresa gibt es natürlich. Fazit: Die feine Schreibweise des Autors lässt das Harlem der 50er und 60er auf sensible Weise lebendig werden. Ich bin sehr angetan und finde das Buch in keinster Weise langweilig. Längen hat es auch nicht. Diese sogenannten Längen sind es ja meist, die Literatur erst ausmachen. Kategorie: Belletristik Hanserverlag, 2021, wer sonst.

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