Profilbild von schnaeppchenjaegerin

schnaeppchenjaegerin

Posted on 11.7.2021

Die 16-jährige Lily leidet unter ADHS, weshalb sie Konzentrationsschwierigkeiten und eine gestörte Impulskontrolle hat. Insbesondere in der Schule macht ihr die Erkrankung zu schaffen, da sie trotz ihrer Intelligenz aufgrund ihrer Unaufmerksamkeit schlechte Noten schreibt und als Sonderling gilt. Medikamente helfen zwar die Symptome zu lindern, Lily fühlt sich damit aber wie betäubt. Als sie wegen einer demolierten Tür in der Schule nachsitzen muss, lernt sie Abelard näher kennen, der unter Asperger leidet und ähnlich wie sie ein Außenseiter ist. Die beiden finden einen Zugang über den Briefwechsel zwischen Abaelard und Heloise, einem Liebespaar aus dem Mittelalter, aus deren Texten sie zitieren. Jeden Abend schreiben sich Lily und Abelard Nachrichten, denn ein persönlicher Kontakt ist aufgrund Abelards Erkrankung, durch die es ihm schwerfällt mit anderen Menschen zu interagieren, geschweige denn zu berühren, schwierig. Der Roman ist aus der Sicht von Lily geschildert. Die Geschichte ist deshalb etwas chaotisch beschrieben, denn Lilys Gedanken sind sprunghaft. Die Erzählung wirkt deshalb sehr authentisch, denn auf diese Weise kann man sich gut in die Teenagerin hineinversetzen und wie es ist, unter ADHS zu leiden und Legasthenikerin zu sein. Ihr fällt es oft schwer, andere Menschen zu verstehen, sich länger auf eine Sache zu konzentrieren und adäquat in bestimmten Situationen zu reagieren, insbesondere wenn diese Stress auslösen. Lily ist oft überfordert, wird schnell ungehalten und würde am liebsten weglaufen. Sie richtet unfreiwillig Chaos an und schämt sich dafür. Durch die Zuneigung zu Abelard, der wie sie besonders ist, fühlt sich Lily nicht mehr ganz so falsch. Er akzeptiert sie, wie sie ist und auch sie nimmt seine Defizite hin, auch wenn sie nicht wirklich weiß, wie sie mit ihnen umgehen soll oder wie sie Abelard helfen kann. Die Liebesgeschichte beschränkt sich lange auf einen SMS-Verkehr und wenige Besuche Lilys bei Abelard. Es ist keine leidenschaftliche oder sonderliche gefühlvolle Erzählung, erhält aber durch die Zitate aus den mittelalterlichen Liebesbriefen etwas Originelles, was zu den besonderen Protagonisten passt. Dass beide diese doch relativ unbekannten Texte kennen, fand ich allerdings etwas konstruiert. Auch dass sich ihre Gefühle so schnell so intensiv entwickelten, fand ich nicht glaubwürdig. "Die Liebesbriefe von Abelard und Lily" ist eine warmherzige Geschichte, die dem/ der Leser*in die Erkrankungen ADHS und Asperger und welche Folgen sich daraus für die Betroffenen, aber auch ihre Angehörigen, ergeben, näher bringt. Mit der Liebesgeschichte als solche wurde ich nicht richtig warm, eine Freundschaft zwischen den beiden sensiblen Sonderlingen wäre vor dem Hintergrund ihrer sozialen Defizite glaubwürdiger gewesen. Insbesondere in Bezug auf Abelard verspürte ich keine Emotionen, weshalb es mir mit der Verliebtheit zu schnell gibt. Lilys Sehnsucht nach Liebe war dagegen nachvollziehbar, vor allem da sich auch ihre beste Freundin Rosalind frisch verliebt hatte. Durch die Distanz, die sich im Verlauf des Romans zwischen Abelard und Lily ergibt, wird der Fokus weiter auf Lily gerückt. Ihre persönliche Weiterentwicklung, der Umgang mit ihren familiären Problemen und der Versuch einer neuen medizinischen Behandlung, um ihr in Bezug auf ADHS zu helfen, interessierte mich dagegen weitaus mehr und konnte mich im Vergleich zur holprigen und etwas unpersönlich textlastigen Liebesgeschichte mehr fesseln.

zurück nach oben