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phantastische_fluchten

Posted on 23.5.2021

Elvira Schirra ist entsetzt, als vor ihren Füßen eine junge Frau zusammenbricht und kurz darauf stirbt. Vor ihrem letzten Atemzug übergibt sie der Rentnerin ein Baby, mit der Bitte, sich um es zu kümmern. Das einzige, was die Mutter dem Baby mitgab, war der Name »Florin«. Mehr als zwölf Jahre kümmerte sich Elvira um den Jungen. Zusammen lebten sie in ihrem kleinen, denkmalgeschützten Häuschen in einem Hinterhof, in einer Stadt, wo sich niemand für die Nachbarn interessiert. Für ein Kind hatte Florin ein schönes Leben, er musste nicht zur Schule und lernte von seiner »Oma Elvira« alles, was man so zum Leben braucht. Und Klavierspielen. Der Junge hatte ein unglaubliches Talent dafür und Elvira, die früher als Klavierlehrerin gearbeitet hatte, brachte ihm alles bei, was sie konnte. Seine einzige Freundin war ein Mädchens Namens Paula, der er zufällig im Hinterhof begegnete. Aber Freunde stellen zu viele Fragen, daher musste Florin vorsichtig sein, was er Paula erzählte und so bastelte er sich ein Lügengebilde zusammen. Als Elvira eines Tages stirbt, bleibt Florin alleine zurück. Nicht einmal Paula erzählt er von dem Tod der alten Dame und in der Anonymität einer großen Stadt fällt es nicht auf, wenn ein Junge alleine lebt. Da niemand von dem Tod der alten Frau erfuhr, wird ihre Rente weiter bezahlt, so dass der Junge ein Einkommen hat. Als allerdings Paula hinter das Geheimnis kommt und ihrer Mutter erzählt, dass Florin alleine in dem Haus lebt, schaltet dieses das Jugendamt ein. Der Vertrauensbruch erweist sich für Florin letztendlich als Glücksfall, denn er findet eine wunderbare Pflegefamilie und das unglaubliche Abenteuer »Leben« beginnt. Kommentar: Ich habe schon mehrere Bücher der Autorin gelesen und als sie mir »das unsterbliche Nashorn« anbot, habe ich keinen Moment gezögert. Ihre Geschichten sind unglaublich schön und sie erzählt sie mit wunderbar, warmherzigen Worten. In jeder Geschichte steckt auch eine kleine Botschaft, die zum Nachdenken anregt. Hier mag es sein: » Jeder Mensch ist ein Individuum und sollte als solches geschätzt und geachtet werden. Dabei spielt es keine Rolle, wo er herkommt oder ob er gehandicapt ist.« Zu Beginn der Geschichte denkt man: »Wow, keine Schule, aufstehen wann man möchte, keine Eltern, die einem sagen, was man zu und zu lassen hat. Jeden Tag ein Lieblingsessen und viel Freizeit. Was für ein Traum.« Doch je weiter man liest, desto nachdenklicher wird man. Die Anonymität der Großstadt schützt einen, macht aber auch einsam. Florin hat keine Geburtsurkunde, keinen Nachnamen und keinen Pass. Er existiert somit eigentlich gar nicht. Dem neugierigen Hausmeister wird vorgelogen, dass Florins Eltern im Ausland arbeiten. Florin lebt mit Elvira völlig alleine und isoliert, er hat keine Freunde. Eine alte Oma zu haben, die einen verwöhnt, ist sicherlich schön aber die Situation erfordert viele Lügen, über die man letztendlich stolpern muss. Als Florin zur Familie Fabricius kommt, ist er zu Beginn sehr unsicher. Aber deren eigene Kinder Amelie und Lenni helfen ihm über die ersten Unsicherheiten hinweg. Kinder sehen die Welt mit ihren eigenen Augen, sind unvoreingenommen und neugierig. Sie akzeptieren Florin so wie er ist und helfen ihm, seine Scheu zu überwinden. Auch in die Schule muss Florin jetzt. Dort trifft er auf Max, der sein bester Freund wird. Sowohl Paula, als auch Max und die Fabricius leben in unterschiedlichen Familienkonstellationen, was ja auch der Realität entspricht. Heutzutage werden viele Ehen geschieden, die Eltern pendeln zwischen den Elternteilen hin und her, müssen sich mit Stiefeltern arrangieren, was manchmal gut geht oder auch nicht. Dorothe Flechsig beschreibt die mit sehr verständlichen und schönen Worten, die einem ans Herz gehen. Ich mochte Florin vom ersten Moment an und auch die anderen Kinder wachsen einem ans Herz. Vor allem Max, der dem Leben immer eine positive Seite abgewinnt. Florins Herz wird jedoch immer Paula gehören, seiner ersten und besten Freundin. Die Kinder erleben einige Abenteuer zusammen, hüten Geheimnisse und bleiben ihr Leben lang verbunden. Auch wenn ein Teil der Geschichte »Fantasie« ist, wirkt sie realistisch und macht den Leser nachdenklich. Man beginnt darüber zu sinnieren, was der größte Wunsch im Leben ist. Ist es der, der einen reich oder der, der einen glücklich macht? Und wie definiert man Glück? Für Max ist es etwas völlig anderes als für Florin oder Lenni. Ich überlege noch. Das Cover besticht durch seinen leichten Glitzereffekt, es ist in verschiedenen Blautönen gehalten und zeigt Ori, das Nashorn. Ja, denn auch das Nashorn spielt eine Hauptrolle in diesem Buch aber darüber zu erzählen würde euch die Spannung nehmen. Erlest es euch selbst. Fazit: Eine wunderschöne Geschichte, die auch das Herz eines erwachsenen Lesers erfreut. Eine Geschichte mit viel Fantasie und Warmherzigkeit, die man unbedingt seinem Kind vorlesen sollte. Dabei scheut sich Dorothea Flechsig auch nicht, traurige Themen anzusprechen aber das gehört ebenso zum Leben wie die Freude.

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