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Buchdoktor

Posted on 18.4.2021

Seit Julia Schnetzer mit 18 Jahren Gast einer Familie auf Fidschi war, haben die Ozeane ihr Leben bestimmt. Die Autorin zeigt die Unterwasserwelt als Lebensgrundlage für Mensch und Tier, wie auch als Fundgrube innovativer Ideen, die noch Generationen von Forschern beschäftigen werden. So sei der Meeresboden bei Erscheinen ihres Buches erst zu 20% hochauflösend kartiert und die restliche Vermessung wird noch 10 Jahre dauern. Sollten Unterwasseraufnahmen bei ihren Lesern bisher das Klischee eines traumhaften Arbeitsplatzes hinterlassen haben, räumt die Science-Slammerin mit der erträumten Idylle gleich zu Beginn auf. Ihr Alltag besteht zum großen Teil aus Routine-Tätigkeit am Schreibtisch, die Arbeit im und auf dem Meer findet in Kälte und Nässe statt, auch auf wochenlangen Forschungsfahrten und hält sich selten an die 36-Stunden-Woche. In übersichtlichen Kapiteln von je 20-30 Seiten weiß Julia Schnetzer tatsächlich Neues aus der Welt der Meere zu erzählen. Sie berichtet über Verhaltensforschung an Delphinen, beantwortet die Frage, was Haie in ihrem Hai-Café eigentlich treiben, stellt Insekten vor, die auf der Wasseroberfläche leben und klärt ihre Leser darüber auf, wie ein Fischauge seine Umwelt wahrnimmt. Der Clou für mich war natürlich die solarbetriebene Meeresschnecke an der Ostküste Nordamerikas – von ihr hätte ich gern früher erfahren! Schnetzers Herzensthema ist jedoch die Vermüllung aller Meere durch Plastik. Wie alte Fischernetze, Plastiktüten und PET-Flaschen im Meer nicht einfach als Gegenstände zu Boden sinken, sondern Tiere töten und das Gleichgewicht des Lebensraums Meer nachhaltig stören, dem kann man sich als Leser wohl kaum entziehen. Wissen ist der erste Schritt zur Veränderung – und mit ihrer eindringlichen Darstellung liefert Schnetzer Argumente, warum unser Plastikverbrauch nicht einfach „schlecht“ ist, sondern was genau er in den Meeren anrichtet. Das Inhaltsverzeichnis des Sachbuchs in Form einer Meereskarte bereitet auf die humorvolle Sicht seiner Autorin vor. In der Traditon des Science-Slams schreibt Julia Schnetzer angenehm locker, ihre kurzen Kapitel lesen sich einfach so weg. Wie bei anderem Infotainment auch, bleibt bei mir jedoch von den Fakten auf die Dauer wenig hängen, weil der Text zwar illustriert ist, das Seitenlayout für ein Sachbuch aber insgesamt zu einförmig wirkt. Um mir Fakten und Zahlen dauerhaft zu merken, muss eine Sachbuchseite für mich strukturierter sein; eine Erschließung durch ein Stichwortregister wäre nicht verkehrt. Ein handschmeichlerisches Buch in kleinem Format, das Neues aus der Meeresbiologie unterhaltsam verpackt.

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