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brittaroeder

Posted on 24.2.2021

Große Literatur im Fantasygewand Ishiguros Roman „Der begrabene Riese“ kommt wie ein etwas mystischer historischer Abenteuerroman daher. Natürlich kann man ihn auch so lesen und genießen. Aber Ishiguro wäre nicht Ishiguro, wenn hinter dieser spannenden Erzählung nicht viel mehr stecken würde: Mit großer sprachlicher Eleganz führt uns der Autor in ein geschichtlich weit zurückliegendes Britannien, kurz nach König Artus‘ Tod. Man begegnet Rittern und Menschenfressern, es gibt einen Drachen, Kobolde und andere übersinnliche Kräfte, unter anderem einen geheimnisvoller Nebel, der den Menschen die Erinnerungen stiehlt. Doch diese fantastischen Elemente, die Ishiguro sehr behutsam in seine Geschichte einfließen lässt, sind mehr als das übliche Ausstattungsmaterial solcher Fantasy-Romane. Vielmehr lässt uns Ishiguro nachempfinden, woher solche Mythen und Sagen ihren Ursprung haben. Wie fest sie in der menschlichen Psyche verankert sind. Die Grenzen zwischen Realität und Unterbewusstsein, zwischen Wahrheit und Legende, sind fließend. So wird die Suche nach der Erinnerung zum Ziel, das die zentralen Protagonisten, Beatrice und Axl, vorantreibt. Es geht um Schuld, um Verdrängung, um Rache und Vergebung, um Krieg und Frieden. In diesem Sinne ist Ishiguros Roman ein top-aktuelles Stück Literatur, das man auch nicht Fantasy-Romanlesenden mit bestem Gewissen empfehlen kann.

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