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Yvonne Franke

Posted on 16.2.2021

Fran Ross verschiebt die griechische Sage des Theseus ins New York der 60er Jahre. Ihre Heldin ist Christine, genannt „Oreo“ - außen schwarz, innen weiß, wie der berühmte Schichtkeks. Kein griechischer Jüngling also, sondern die Tochter einer schwarzen Mutter und eines weißen Juden. Zweiterer verschwindet schnell aus dem Leben seiner Tochter, hinterlässt ihr aber einen Brief mit verschlüsselten Hinweisen. Mit 16 Jahren macht sie sich auf die Suche nach ihm und eine wahnwitzige Odyssee beginnt. Fran Ross‘ Einfallsreichtum scheint unendlich. Nicht nur in der Erfindung skurriler aber in sich immer glaubhafter Figuren, sondern vor allem in ihrem Sprachgeschick, das facettenreicher kaum sein könnte. Die Figuren sprechen in Dialekten, Slangs und mit unterschiedlichen Sprachfehlern. „Oreo“ bebildert ihre Heldinnenreise mit Listen, Werbetexten und ganzen Menüabfolgen aus der Küche ihrer Großmuttter, oder macht sprachliche Ausflüge in die Dramatik. Liest man den Text im Original, bekommt man ziemlich schnell den Eindruck: das ist unübersetzbar und kann doch nur ganz genau so funktionieren, wie es da steht. Gäbe es da nicht die Übersetzerin Pieke Biermann, die im Jahr 2020 Fran Ross‘ ersten und einzigen Roman, 56 Jahre nach Erscheinen, dann doch ins Deutsche übertrug. Was man durchaus als weitere Heldinnenreise bezeichnen kann, die Biermann den Preis der Leipziger Buchmesse 2020 einbrachte. Fran Ross selbst starb 1985 im Alter von 50 Jahren an Krebs. Bis dahin hatte ihr Roman kaum Beachtung gefunden.

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