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Marcus Jordan

Posted on 17.9.2018

Deutschland im Jahr 1918, das Reich im Umbruch, der Krieg aussichtslos, der Kaiser will nicht gehen, das Alte will nicht gehen. Was ist wo passiert damals? Wie wurde der Druck so hoch, dass es schließlich doch irgendwann zum Umbruch kam. Bis heute denken vermutlich viele von uns sofort an die Dolchstoßlegende und eine SPD, die sich nicht traute, wirklich das Neue zu wollen. Und dass der Sturm dann irgendwie bei den Matrosen der Reichsflotte begann, hat man auch mal gelernt irgendwann. Aber ich habe jetzt das Gefühl, mir das mal genauer und persönlich angeschaut zu haben und ich habe selten eine so kurzweilige und einfache Zeitmaschine dafür genutzt. Dirk Liesemer hat hier eine Unmenge von Einzelzitaten und Anekdoten gesammelt und zu einem enorm schlüssigen und lebendigen Bild verwoben. Dabei tauchen die bekannten Protagonisten auf, vom Kaiser bis zu Rosa Luxemburg, aber eben auch einfache, unbekannte, mutige und verunsicherte Frauen und Männer, die auf einmal eine Funktion und Aufgabe bekamen und irgendwie prägend wurden für den Moment. Das Ganze hat was von einem Live-Ticker der Revolution und macht die Stimmung und das Geschehen enorm greifbar und lebendig. Ich fand das eigentlich weniger im historischen, als im allgemein politischen und ganz menschlichem Sinne hoch interessant. Man fragt sich ganz unweigerlich, wo man gewesen und wo man gestanden wäre. Warum war es eigentlich ausgerechnet die Marine? Die Waffengattung, die am wenigsten gelitten hatte und zu großen Teilen den Krieg in einem frustrierenden Reigen aus Warten, militärischer Routine und Schikane verbracht hatte, wurde zur Bruchstelle und zum Auslöser der finalen Kettenreaktion. Hatten sie am meisten Zeit gehabt nachzudenken oder waren hier einfach noch die meisten Kräfte gebündelt? Oder ist es einfach die besondere Konzentration der Menschen an wenigen, engen Orten gewesen? Für mich besonders befriedigend, dass der geliebte Ringelnatz, über den es kaum mal sehr Freundliches zu lesen gibt, hier gut wegkommt und keine entscheidende, aber doch eine sympathische Rolle hat.

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