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joberlin

Posted on 4.2.2021

Ich lernte Husch Josten 2012 mit ihrem Roman "Das Glück von Frau Pfeiffer" kennen. Seitdem lese ich alles von ihr und freue mich über diese Geschichtensammlung, die jetzt im Piper Verlag neu als Taschenbuch aufgelegt wird. "Fragen Sie nach Fritz" – geheimnisvoll spannend klingt das und verführt sofort zum Lesen. In der Titelgeschichte trifft eine Frau den verehrt-bewunderten Vater ihrer Kinderfreundin wieder. Wie hat er sich verändert? Wird er sie erkennen? Hält er auch dem Erwachsenenblick noch stand, dieser Held ihrer Kindheit? Wahrnehmung ist subjektiv und die Wahrheit des einen ist nicht unbedingt die Wahrheit des anderen. Und "es gibt keine menschliche Beziehung in der nicht gelogen wird", sagt Fritz und das ist wegweisend für alle zehn Erzählungen. In dieser Geschichte jedenfalls erkennt die Protagonistin die Lüge und beendet schließlich ihre fatal-fade Affäre mit einem verheirateten Mann. Eine Autofahrerin, mehr mit ihren Gedanken und der Musik im Wagen beschäftigt als mit der Straße, weicht - ohne es wirklich zu bemerken - einem Kind auf dem Fahrdamm aus. Zufall? Schicksal? Fügung? Sie wird als Lebensretterin gefeiert - die eine Wahrheit. Ihr ist das unangenehm, hat sie doch nicht bewusst gehandelt - die andere Wahrheit. Und wird eine Lüge zur Wahrheit, wenn man sie oft genug erzählt oder gar lebt? Ein erwachsener Sohn und sein kranker Vater verbringen einen letzten Urlaub zusammen und erkennen, wie sie sich jahrzehntelang etwas vorgemacht, sich und den anderen belogen haben. Doch ist diese Unzulänglichkeit - die "Begradigung" der Wahrheit, das Vertuschen von eigentlichen Beweggründen - nicht eine zutiefst menschliche Eigenschaft, die ein ausgefeiltes Zusammenleben erst ermöglicht und außerdem noch dem bequemen Schutz der eigenen Person dient? Husch Josten - glaube ich - sieht das kritisch, lässt jedoch ihre Protagonisten zum Schluss meist die Wahrheit erahnen, und das erst ermöglicht ihnen ein Handeln zum Guten. Aber lesen Sie selbst. Und fragen Sie nach Fritz!

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