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Buchdoktor

Posted on 30.1.2021

Wenn Petra ein Problem hatte, half ihr bisher immer Ordnung. Die Schuhe zuhause z. B. müssen exakt aufgestellt werden und dürfen sich nicht berühren. Wenn jemand sich vornimmt, nicht auf Kanaldeckel oder die Ritzen zwischen Pflastersteinen zu treten, nennen manche das Verhalten Magisches Denken, andere sagen dazu Zwangsgedanken. Als für Petra nach den Ferien die 7. Klasse beginnt, wird deutlich, dass sie in ihrer Klasse nicht die einzige besondere Schülerin ist. Chris hat in den Ferien schon das komplette Mathebuch durchgearbeitet, außerdem braucht er die Geduld seiner Mitmenschen, wenn ihm die Wörter mal wieder im Hals stecken zu bleiben scheinen. Jeder hier benötigt Hilfe und jeder kann anderen helfen. Melika, das Kind von Flüchtlingen, wartet schon lange, dass ihr älterer Bruder Javid endlich auch nach Norwegen kommt. Petra hofft nun, dass sie Javids Flucht mit magischem Denken beschleunigen kann. In Petras Schule achten Lehrer genau auf ihre besonderen Schüler; sie schicken die Zwölfjährige deshalb zu Herrn Svendsen zur Therapie. Der Therapeut arbeitet nicht etwa in der Schule, sondern Petra trifft ihn in seinem Büro im Rathaus. Petra erzählt aus der Ichperspektive, so dass die Leser nur erfahren, was die Zwölfjährige für erzählenswert hält. Vermutlich deshalb fühlte ich mich überrumpelt, als Svendsen Petras Angst vor Wasser und dem Schwimmen anspricht. Unterstützung in der Therapie von Petras Ängsten kommt von unerwarteter Seite; denn der neue Schüler Thomas entpuppt sich als Leistungsschwimmer. Petra ist fasziniert von diesem rasend schnellen Propellerjungen … In einfachen Sätzen und sehr kurzen Kapiteln beschreibt Ingrid O. Volden die Zwangsstörung einer Zwölfjährigen. Für die zehnjährige Zielgruppe, an die sich das Sprachniveau richtet, finde ich die logische Verknüpfung der sehr kurzen Abschnitte zu sparsam. So kommt Petras Angst vor Wasser in der Therapie unvermittelt zur Sprache, ohne dass ihr das Ziel der Therapie deutlich zu sein scheint. Auf Nicht-Norweger mag es sonderbar wirken, dass ein Kind ohne Wissen der Eltern einen Therapeuten in einem anderen Gebäude aufsucht. Spannung in die Handlung bringt das Bangen um Javid. Die Lösung seines Problems ist mir, selbst in einem Kinderbuch, jedoch zu märchenhaft. Voldens Botschaft an ihre jungen Leser lautet, dass sich niemand zu schämen braucht, der therapeutische Hilfe benötigt. Der Text würde seine Zielgruppe jedoch ebenso gut erreichen, wenn die erwachsenen Figuren die Dinge klarer beim Namen nennen würden.

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