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Buchdoktor

Posted on 18.1.2021

Romantrilogie in einem Band - mit rund 70 Figuren Die Trilogie Erster und zweiter Band wurden vollständig überarbeitet, Pazifik erscheint hier zum ersten Mal auf Deutsch. Die Handlung der drei Bände folgt zeitlich aufeinander, die Romane müssen jedoch nicht in chronologischer Reihenfolge gelesen werden. 1. Das Ende des Vandalismus Tiny und Louise Darling leben im 300-Einwohner-Ort Grafton im Mittleren Westen der USA. Nach der Trennung von Louise zieht Klempner Tiny zu seinem Bruder Jerry; Louise beginnt eine Beziehung mit Sheriff Dan Norman. Dan ist mit den Ermittlungen in einer Serie von Landmaschinen-Diebstählen beschäftigt und lässt sich - ganz unbürokratisch - von einem Sprühflugzeug über seinen Bezirk fliegen, um nach den teuren Männerspielzeugen Ausschau zu halten. Für einen Landwirt ist ein gestohlener Traktor alles andere als komisch, es geht dabei um seine Existenz. Louise arbeitet für den betagten Fotografen Kleeborg, der für die offiziellen Schulfotos des Ortes zuständig ist. Kleeborg will sein Geschäft längst an Louise übergeben, aber sie geht der Nachfolgefrage bisher noch aus dem Weg, weil sie am liebsten nur konzentriert in der Dunkelkammer arbeitet. Als im Supermarkt ein Baby ausgesetzt wird, entschließt sich Sheriff Dan, nicht nach der Mutter zu fahnden und die Angelegenheit sich durch die sprichwörtliche Hilfsbereitschaft auf dem Dorf von selbst regeln zu lassen. In weiteren Rollen treten der junge Albert auf, der gemeinsam mit seinen Kumpels den Wasserturm beschmiert hat und von Dan zur Strafe zu gemeinnütziger Arbeit verdonnert wird, und Chiang, eine Austauschschülerin aus Taiwan, die noch nicht ahnt, dass eine Gast-Familie von Hühnerfarmern für sie nicht nur Nachteile mit sich bringt. Andere Handlungsfäden befassen sich mit Suchtproblemen, Strukturproblemen in ländlichen Regionen und dem politischen Hintergrund bei Sheriff-Wahlen. Dass Dan logischerweise als Demokrat für Schul-Unterricht über Evolution sein muss, weil seine republikanischen Konkurrenten ihn ablehnen, erfährt man nebenbei auch noch. Fazit Der Einstieg in den ersten Teil der Grouse-County-Trilogie ist nicht einfach. Ich fühlte mich anfangs wie in einem gigantischen Wimmel-Bilderbuch auf der Suche nach einer Hauptfigur und dem zentralen Thema des Buches. Insgesamt sollen in „Das Ende des Vandalismus“ fast 70 Figuren auftreten. Tom Drury erzählt fast schon bizarr beiläufig von alltäglichen Ereignissen aus einem dörflichen Mikrokosmos, die für die Beteiligten jedoch alles andere als banal sind. Man folgt seinen Figuren zum Zähneputzen, sieht einen Waschbären die Straße kreuzen, fühlt aber auch in existenziellen Krisen wie einer glücklosen Schwangerschaft mit. 2. Die Traumjäger "DieTraumjäger" fand ich dagegen als Einstieg in die Trilogie sehr viel entgegenkommender und habe mich auch nach Jahren noch gern an Tiny Darling, seine zweite Frau Joan, den gemeinsamen Sohn Mica und Joans Tochter Lyris erinnert. Die Handlung spielt circa im Jahr 2000 und kreist zum einen darum, dass Lyris als Baby zur Adoption freigegeben und später von unzuverlässigen Adoptiveltern zurückgeholt wurde, aber auch um die Glücksvorstellungen der anderen Beteiligten. Verständlich, dass für die 16-jährige Lyris die Frage noch lange nicht befriedigend beantwortet ist, warum ihre Mutter sie als Baby weggegeben hat. Tiny will eine Waffe zurückkaufen, die seinem Stiefvater gehört hatte. Doch zunächst muss er sich mit der Vorgeschichte auseinandersetzen, wie das antike Gewehr damals ins Pfarrhaus geraten ist. Dabei werden Erinnerungen an gemeinsame Jagdausflüge mit dem Stiefvater geweckt. Fazit Auch wenn man den Eindruck erhalten könnte, der Erzähler käme vom Hundertsten ins Tausendste, fand ich die Kleinfamiliensituation verbunden mit der Waffe als Familienschatz leicht nachvollziehbar. Tom Drury zaubert hier aus einer Patchwork-Familie, einem Gewehr und einem Mann mit Metalldetektor eine beinahe familiäre Welt, die mich stark an Gesprächsverläufe auf Familienfeiern erinnerte. Nebenbei nimmt er die Absurditäten des US-amerikanischen Alltags aufs Korn, indem er z. B. eine Figur feststellen lässt „Wir brauchen eine Pistole zu unserem Schutz, weil uns eine Amaryllis von der Veranda gestohlen wurde.“ So wie sich das Motiv des ausgesetzten Kindes wiederholt, begibt sich Joan (ähnlich wie Louise im ersten Band) auf einen Selbstfindungs-Trip und verlässt dazu die Familie. Die Botschaft, dass Frauen ausbrechen und neue Wege suchen, während Männer die Krise ihrer Region und ihres Staates bisher erleiden, tupft Drury hier unauffällig ins Bild. Für ein 2000 erschienenes Buch finde ich die Szenen erstaunlich prophetisch. Wer Sinn für Tom Drurys Beiläufigkeit und seine Art von bissigem Humor hat, sollte es einmal mit seiner Erzählkunst versuchen. 3. Pazifik In "Pazifik" treffen wir wieder die Familie Darling. Micah ist inzwischen 14, Lyris bereits erwachsen und lebt in einer festen Partnerschaft. Offenbar ist Joan nicht zur Familie zurückgekehrt und hat eine Karriere als Schauspielerin in einer Fernsehserie eingeschlagen. Sheriff Dan hat für eine 6. Amtsperiode als Sheriff nicht mehr kandidiert und arbeitet als Privatdetektiv. Er erhält den Auftrag, einen zukünftigen Schwiegersohn zu durchleuchten und gerät dabei in einen Kriminalfall, der vermutlich alles in den Schatten stellt, was er in seiner Sheriff-Laufbahn bisher erlebt hat. Erst Micah kommt in der Welt der IT-Technik an und muss sich einem Konfliktgespräch mit seinem Direktor stellen. Fazit zur Gesamtausgabe Die drei Bände folgen einander in chronologischer Reihenfolge; die Wege der Figuren kreuzen sich mehrfach in deren Leben. Traumjäger hat bei mir erfolgreich seinen Platz als Lieblingsband verteidigt; den ersten Band fand ich aufgrund der vielen Personen eher ungünstig als Einstieg. Ob man sich auf eine Trilogie mit fast 70 Personen einlassen möchte, ist sicher tagesformabhängig. Eine Begegnung mit Tom Drury als Erzähler lohnt sich.

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