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SternchenBlau

Posted on 28.12.2020

Schöner Schein vor Sein Bei diesem Roman habe ich lang hin her überlegt, ob ich ihn nun lesen möchte. Künstlergeschichten sind mir oft zu selbstreferentiell. Aber dann habe ich einige sehr gute Rezensionen gelesen und einige sehr zwiespältige. Beide von Menschen, deren Meinung ich sehr schätze. Und dann wollte ich mir selbst eine Meinung bilden, erst recht, weil der Roman mit 128 Seiten ja auch schnell gelesen ist. Schnell gelesen ist „Der letzte Satz“, bei mir wird er aber auch nicht lange nachhallen. Auch, wenn ich verstehen kann, warum viele den Roman sehr mögen. Ganz hart gefragt: Würde das Buch groß interessieren, wenn es nicht Mahler wäre, dessen letzte Reise wir hier begleiten? Selbst ich, die ich nicht sehr Mahler fixiert (eher gar nicht) bin und Künstlergeschichten wie schon gesagt eher langweilig finde, bin darauf angesprungen. Aber leider habe ich mich beim Lesen immer wieder gefragt: Wo ist das Spezifische der Musik, das Spezifische von Mahler? Mir kommt so vor, als könnte x-beliebiger Mensch sein. Ein Beispiel, bei dem ich es am allerdeutlichsten fand, was mich gestört hat. An wenigen Stellen wird immer mit einem Halbsatz oder einem Wort wie „Judenbub“ der Antisemitismus erwähnt, aber nicht ausgeführt. Aber was hat der nun für Mahlers Leben bedeutet? Das bleibt so unklar und dieses Beliebige wird dann geschickt hinter schön anmutenden Sätzen versteckt sowie einem verschachtelten Aufbau aus Erzählzeit und verschiedenen Erinnerungsebenen. „»Sie sollten sich ausruhen«, hatte ein befreundeter Arzt vor Jahren zu ihm gesagt. »Am besten ein Leben lang.«“ Da fand ich die Sicht auf Alma Mahler ähnlich unbefriedigend. Das große Genie liebte seine junge Ehefrau, hat sie aber überhaupt nicht verstanden. Und dieses Unverständnis wird im Roman dann richtig zelebriert. Das zeigt sich dann in banalen Dialogen zwischen den beiden, die umso auffälliger sind, weil es nur ganz wenige direkte Dialoge sind. Ja, hier soll die Sprachlosigkeit dieser Ehe gezeigt werden. Aber das bleibt alles so offensichtlich gekünstelt. Erst recht, weil mir Alma der spannendere Charakter erscheint. CN / Content Note: Tod eines Kindes Genauso wie der Verlust der erstgeborenen Tochter fast nach Schreiblehrbuch als traumatische Erfahrung zelebriert – ohne deren Gehalt nur ansatzweise zu erfassen. Und dann kommt eine Szene mit dem Schiffsjungen, an der ich spüre, was der Roman alles hätte sein können. Ein tiefer Einblick in das Leben, aufgefächert im Dialog zwischen diesen beiden ganz unterschiedlichen Menschen Mahler und Junge. Der Bogen am Ende greift das nochmal kurz auf, aber da ist die Wucht des Moments schon wieder verflogen. Dafür sind dann auch 128 Seiten noch zu viel. Fazit Leider mehr Schein als Sein. Lässt sich ganz gut lesen, wird aber bei mir nicht lange nachhallen. 2,5 von 5 Sternen.

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