Profilbild von ankasgeblubber

ankasgeblubber

Posted on 26.12.2020

Ein Sylt-Krimi aus der Sicht einer kriminellen Möwenbande - eine pfiffige Idee, die mir viele unterhaltsame Lesemomente beschert hat. Crêpes-Budenbesitzer Knut ist verschwunden! Die Möwenbande rund um Späher-Möwerich Ahoi gründet kurz entschlossen die Sonderkommission "Schoko-Crêpes", schließlich sind die Bandenmitglieder auf Knuts Crêpes-Rationen, die sie den nichts ahnenden Touristen täglich abjagen, angewiesen. Sie machen sich auf die Suche und stoßen schnell auf Knuts völlig verwüstete Wohnung, in der sie einen Abschiedsbrief finden. Doch hat sich der allseits beliebte Crêpes-Budenbesitzer wirklich das Leben genommen? An der Sache ist doch etwas oberfaul, denken sich die cleveren Möwen und stürzen sich in die Ermittlungen. Was hatte ich für eine lustige Zeit mit der chaotischen Sylter Möwenbande! Schnell schnatterten sich die unterschiedlichen Möwencharaktere in mein Herz, allen voran Sensibelchen und Tollpatsch Ahoi. Unglücklich verliebt wirft er seiner angebeteten Möwin Suzette sehnsüchtige Blicke zu, während diese mit einer anderen Möwe anbandelt. Da hilft nur eines: Mut antrinken und das Möwen-Date sprengen - jedoch hat das tapfere Kerlchen nicht mit den kräftigen Bodyguard-Möwen gerechnet, die ihn erstmal ordentlich vermöweln. Dann sind da noch der etwas verpeilte und kurzsichtige Scheff der Möwenbande Baron Silver de Luft (den ihr sofort an der rostigen Tunfischdose auf seinem Kopf erkennt - er sagt, es handelt sich um den Helm seines Großvaters, Hauptfischwebel im zweiten Möwenkrieg), der allein erziehende Vatermöwerich Harry, dessen Sohn Grey ihm und den anderen ziemlich auf dem Schnabel herumtanzt, Model-Möwe Jonathan, der gern auf Ausflugsschiffen für die Touristen posiert, Auswanderer Helgi, der auf den Spuren seiner Vorfahren wandelt, Cleverchen Balthasar, der jedem erzählt, dass er drei Silvester an der Unität studiert hat und der Dienstälteste Alki, der sich liebend gern auch mal in das Weinglas eines Touristen stürzt. Sie alle werden mit ihren unterschiedlichen Eigenarten so trefflich beschrieben, dass ich beinahe das Gefühl hatte, ich habe es hier mit Menschen zu tun. Aber nein! Sina Beerwald legt ihren gefiederten Freunden eine Möwensprache in die Schnäbel, die vor Wortwitz nur so strotzt. "Ja, okay, ich gebe es zu, dass ich in Suzette verliebt bin. Ich meine, so richtig bis über beide Flügel. (...) Meine letzten Beziehungen waren ziemliche Zweckgemeinschaften und hielten nicht länger als das Nest. Suzette jedoch ist so... wie soll ich das sagen, so... lieb, fürsorglich und... ach, was soll das Drumherumgerede, ich bin schließlich auch nur eine Möwe: Sie sieht einfach geil aus." S. 19 Als Schauplatz der Ermittlungen wählt die Autorin ihre Heimatinsel Sylt, die sie ihren Lesern aus der Möwenperspektive präsentiert. So erfuhr ich Dies und Das über Land und Leute und war kurz davor meinen Koffer zu packen und der Insel samt der räuberischen Möwenbande einen Besuch abzustatten. Trotz der vielen urkomischen Passagen, die mich wie mit einer Feder so lang kitzelten, bis ich lachen musste, geraten der Kriminalfall und somit das plötzliche Verschwinden des Crêpes-Budenbesitzers Knut nicht in Vergessenheit. Geschickt legt die Autorin falsche Fährten und lässt ihre Krimi-Möwen in immer neuen Sackgassen verzweifeln. Die Spannung bleibt im Hintergrund, was mir bei dem vielen Geschnatter nicht ganz unrecht war. Die Möwen und ihre lustigen Pleiten, Pech und Pannen bildeten für mich stets den Mittelpunkt, der Kriminalfall spielte lediglich die Nebenrolle. Die Auflösung war für mich zwar schlüssig, jedoch fand ich es schade, dass sie mir am Ende förmlich aufgedrängt wurde. Die allerletzten Seiten entschädigten mich dann jedoch wieder und ich hätte mich am liebsten sofort ins nächste Möwen-Abenteuer gestürzt. "Mordsmöwen" war für mich eine absolut außergewöhnliche und tolle Geschichte, liebevoll, sprachlich bis ins letzte Detail ausgeklügelt und mit viel Witz erzählt. Man kann Sina Beerwalds Liebe zur Insel Sylt deutlich zwischen den Zeilen herauslesen. Für mich ist dieses Buch nicht nur ein schöner Schatz in meinem eigenen Bücherregal, sondern auch ein hervorragender Geschenk-Tipp für die Verwandtschaft zu Weihnachten. Wie wäre es mit einem Ausflug nach Sylt?

zurück nach oben