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herbstrose

Posted on 10.12.2020

Düstere Aussichten für die Zukunft … Wir befinden uns in den USA im Jahre 2029, ein Latino ist Präsident, das Land ist hoch verschuldet, die Ressourcen sind knapp, der Wohlstand geht zurück und der Dollar verliert täglich an Wert. Auch die Mitglieder Familien Mandible haben in diesen Zeiten zu kämpfen, doch im Hintergrund ist ja immer noch ihr 96jähriger Stammvater, der das Familienvermögen sicher angelegt hat, und dessen Erbe früher oder später zu erwarten ist. Doch dann stürzt der Dollar ab und der Staat nimmt sich was noch übrig ist. Die Bevölkerung gerät in existenzielle Not, Mieten und Lebensmittel werden unbezahlbar, auf den Straßen herrscht Anarchie. In diesen wirren Zeiten erwacht der Familiensinn und plötzlich erinnern sich alle Mandibles an Florence und ihren 14jährigen Sohn Willing. Nach und nach tauchen alle Familienmitglieder bei ihr auf, bis ihr kleines Häuschen schier aus den Nähten platzt. In der größten Not hat Willing dann eine zündende Idee … Die Autorin Lionel Shriver wurde 1957 unter dem Namen Margaret Ann Shriver in North Caroline geboren. Im Alter von 15 Jahren änderte sie ihren Vornamen. Nach ihrem Collegeabschluss studierte sie an der Columbia University und erwarb dort den Bachelor of Arts und den Master of Fine Arts. Sie arbeitete als Journalistin und lebte zeitweise in Nairobi, Bangkok und Belfast. Shriver ist mit dem Jazz-Schlagzeuger Jeff Williams verheiratet und lebt derzeit in London. Sie hatte bereits sieben Romane geschrieben und veröffentlicht, bevor sie für „We Need to Talk about Kevin“ 2005 mit dem „Orange Prize für Fiction“ ausgezeichnet wurde. „Eine amerikanische Familie“, (The Mandibles: A Family, 2029 – 2047) ist Shrivers dreizehnter Roman, der ihr Vorwürfe wegen Rassismus und Kulturverfälschung einbrachte, die sie jedoch entschieden zurückwies. Ein düsteres Zukunftsszenario das uns hier präsentiert wird, welches jedoch manchmal erschreckende Parallelen zur Realität aufweist. Man erlebt, wie schnell sich eingefahrene Strukturen wandeln und die wirtschaftlichen Verhältnisse verändern können, welchen Einfluss der Klimawandel hat und wie schnell sich eine Regierung zum totalen Überwachungsstaat entwickeln kann. Man leidet mit der Bevölkerung, besonders mit der stark gebeutelten Familie Mandible, und stürzt mit ihnen von einer Katastrophe in die nächste. Abgesehen von einigen, teils sehr langatmigen, Erklärungen über Wirtschaftskrisen, Geldpolitik und ihre daraus resultierenden volkswirtschaftlichen Auswirkungen, ist die Geschichte durch überraschende und unvorhergesehene Ereignisse abwechslungsreich, vielschichtig und spannend bis zum Schluss. Der Schreibstil der Autorin ist schonungslos offen und direkt, manchmal sarkastisch, aber immer mit einem amüsanten Unterton, und liest sich leicht und flüssig. Die Beschreibung der zahlreichen Familienmitglieder ist sehr differenziert, die Eigenarten jeder Person sind trefflich heraus gearbeitet. Der Leser wird zum Teil des Clans, kämpft mit ihnen ums Überleben und entwickelt zu den Angehörigen Sympathie oder Antipathie, ganz wie im richtigen Leben. Man erlebt einen Blick in eine Zukunft, die hoffentlich nie eintreten wird, die aber durchaus einige Parallelen zur aktuellen Gegenwart hat. Fazit: Eine interessante und lesenswerte Zukunftsvision, die erschreckt und nachdenklich stimmt.

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