Profilbild von stricki

stricki

Posted on 25.10.2020

Mutterschaft und Karriere Aba gehört zur Elite eines Landes, sie sucht in weniger privilegierten Ländern nach Talenten, deren Potenzial ihr Land bereichern können. Und verhilft ihnen zur Einreise. Alleine schon der Gedanke, die Asylpolitik so umzukehren, ist schon irre, frech, genial. Und das beschreibt das Buch auch ganz gut: Christian Dittloff treibt es gern auf die Spitze und tut dabei so, als wäre es das Normalste von der Welt. Das Denken überlässt er seiner Leserschaft. Und ich wette, man kann das Buch auch als "normale Dystopie-Lovestory" konsumieren. Dann bleibt aber eine schaler Nachgeschmack? Aba heißt eigentlich Andrea, aber da das kein Name ist, mit dem man Karriere macht, wurde Aba daraus. Ha! Yves, ihr Liebhaber und Lebensgefährte, war einst einer ihrer Talente. Den hat sie sich doch gleich unter den Nagel gerissen. Dieser sehr leidenschaftlichen Beziehung haftet ein feiner Geruch der Abhängigkeit an. Jetzt im Nachhinein frage ich mich, warum wollte Aba ein Kind? Weil es dann doch immer noch dazu gehört? Weil der Mensch zur Reproduktion neigt, weil er ein kleines neues Ich in die Welt setzen will, eine "Krönung" der Liebe? Jedenfalls wollen die beiden eins, und für Aba ist klar: Eine Schwangerschaft kommt nicht in Frage, die Karriere steht an erster Stelle, und eine Veränderung der Lebensweise steht auch außer Frage. Also wird eine andere Frau ihre befruchtete Eizelle austragen und sich auch später täglich um ihr Kind kümmern. Das alles nach ihren Vorstellungen, mit regelmäßigen sonntäglichen Besuchen wird das Ergebnis überprüft und sich am Kinde erfreut. So der Plan. So das Konzept des "Weißen Schlosses", wo alles getan wird, damit es den Austragemüttern richtig gut geht. Bezahlte glückliche Schwangerschaft, Rundumbetreuung, mit Eltern-full-service. Normale Elternschaft wird in diesem Buch als Last und Einengung beschrieben. Das ist etwas für Menschen, die sich das "neue Konzept" nicht leisten können. Oder wollen. Dann gibt es noch die echten Eltern mit Nanny. In diesem Fall das Nachbarspaar, das ihre Nanny schwarz beschäftigt. So. Wie weit sind wir denn von der Realität entfernt? Inwiefern wurden in der Vergangenheit die Kinder in Königshäusern von ihren Eltern betreut? Wie anders ist das Konzept Internat? Oder nehmen wir Weltstars, die nie Zuhause sind. Leihmütter sind auch gar nicht mehr so selten, welche Schauspielerin ruiniert sich schon gern die Figur? Oder schauen wir uns den Beruf der Amme im Mittelalter an, auch da schon war es ein ehrbarer Beruf, genau wie im Buch! Von wegen Dystopie. Aber hier wird es hedonistisch auf die Spitze getrieben. Und die Frage muss gestellt werden: Wessen Kind ist es, ist Blut dicker als Wasser, welche Rolle spielt die Erziehung? Gäbe es noch andere Modelle, um Frauen einen gleichberechtigten Zugang zu Karriere und Erfolg zu gewährleisten? Mein Fazit: Zwischendrin hatte das Buch ein paar Längen, zum Ende nimmt es nochmal richtig Fahrt auf. Es ist toll geschrieben, vor allem der Subtext zwischen den Zeilen. Genial. Bestimmt kein Buch für die breite Masse, aber wen das Thema interessiert, der erhält hier viel Material zum Nachdenken.

zurück nach oben