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stephanienicol

Posted on 12.10.2020

Niven erzählt die Geschichte zweier Jugendlicher. Der Außenseiter Theodore Finch steht hoch oben auf dem Glockenturm und fragt sich, wie es wäre, zu sterben, als er bemerkt, dass er nicht alleine dort oben ist. Violet Markey, eines der beliebtesten Mädchen der Schule, steht genauso wie er dort oben und obwohl sie so verschieden sind, verbindet sie in diesem Moment etwas. Später denken alle, Violet wäre nur oben gewesen, um Finch zu retten – dass es im Grunde andersrum war, weiß keiner und Finch verrät es nicht. Als Finch Violet zur gemeinsamen Arbeit an einem Schulprojekt überredet, freunden sich die beiden immer mehr an – ein Beginn einer ganz besonderen gemeinsamen Reise. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich im Grunde sehr hohe Erwartungen an diese Geschichte hatte. Auch wenn man mit keinen oder möglichst niedrigen Erwartungen ein Buch zu lesen beginnen möchte, um später Enttäuschungen zu vermeiden, erwartet man unbewusst ja doch immer etwas Bestimmtes – und hier habe ich tatsächlich etwas Großartiges erwartet. Was dann für mich aber nicht kommen wollte. Es gab Momente, in denen ich beim Lesen dachte, jetzt käme der Wow-Effekt, jetzt würde mich die Geschichte überzeugen, begeistern, jetzt würde es endlich “Klick” machen. Dem war jedoch nicht so. Zumindest nicht bis zu den letzten Seiten. Die gesamte Handlung gefiel mir im Grunde ganz gut – ich mochte sowohl Finch, als auch Violet, mochte vor allem, wie sie miteinander harmonieren, sich mit ihren gegensätzlichen Charakterzügen und Eigenschaften gegenseitig ergänzen. Auch die langsame und leichte Entwicklung ihrer Beziehung hat mir gut gefallen. Die Autorin hat dies meiner Meinung nach sehr authentisch, nicht zu kitschig, aber trotzdem voller Gefühle rüber gebracht, hat erreicht, dass man das leichte Knistern zwischen den Beiden förmlich spürte. Aber letztendlich wäre es für mich trotzdem nur eine recht gewöhnliche Jugend-Liebes-Geschichte gewesen und da ich so viel mehr erwartet hatte, war ich nach der Hälfte bereits recht enttäuscht. “Ich war schon immer anders, aber für mich ist anders zu sein normal.” – Seite 70 Einige Seiten später, im Grunde schon kurz vor Schluss, habe ich diesen Roman dann gehasst, die Autorin verflucht. Ehrlich gesagt, war ich tatsächlich kurz davor, das Buch mit nur zwei Sternen zu bewerten. Danach kam allerdings noch eine zwar kleine, aber ganz wunderbare Sache, die mir zwar nicht so ganz die Wut über den Handlungsverlauf genommen hat, diese aber um einiges gemindert hat. Wie, was und warum verrate ich nicht, um euch nicht zu spoilern – ich denke, wer das Buch kennt, weiß, was ich meine. Auf jeden Fall ist dadurch bei mir erst im allerletzten Augenblick der Funke so richtig übergesprungen. “All die verdammt perfekten Tage” nimmt seine Leser mit auf eine sehr emotionale Achterbahnfahrt und entfaltet erst nach vollendeter Lektüre seine eigentliche Wirkung. Die Autorin verbindet sehr gelungen alltägliche und oberflächliche Themen wie den Schulalltag und die erste Liebe mit wiederum sehr schwierigen und kritischen Themen von Trauer bis hin zu psychischen Erkrankungen und Selbstmord. Davon sollte man sich auch keineswegs abschrecken lassen, da Niven genauso gut das richtige – und auch notwendige – Gleichgewicht zwischen beiden Seiten gelingt.

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