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stephanienicol

Posted on 12.10.2020

“Mein bester letzter Sommer” ist der erste Jugendroman von Autorin Anne Freytag, welche bereits unter diesem Namen, aber auch unter Pseudonymen wie Ally Taylor oder Anne Sonntag mehrere Romane veröffentlicht hat. Ich kenne sie nicht alle, aber auf ihr Debüt in diesem Genre war ich schon länger unheimlich gespannt. Tessa ist siebzehn Jahre alt und war ihr Leben lang ein Überflieger: Musterschülerin, eine Klasse übersprungen, ihr Leben fest im Griff, ihre Zukunft geplant. Doch obwohl sie bereits als Kind sehr oft krank war, wusste sie nicht, dass ihre Lebenszeit schon von Anfang an nur sehr begrenzt war. Jetzt weiß sie, dass dies ihr letzter Sommer sein wird. Die Tage verbringt sie meist in ihrem Zimmer, voller Selbstmitleid, Wut, ihr Leben nicht ausgenutzt zu haben, Wut auf ihre Eltern, die ihr verschwiegen haben, wie endlich ihr Leben ist. Seit mehreren Monaten denkt sie außerdem an diesen einen Jungen aus der U-Bahn, der ihr nicht mehr aus dem Kopf geht. Und eines Tages trifft sie ausgerechnet diesen Jungen – Oskar – unverhofft wieder und ihr letzter Sommer könnte zum besten Sommer überhaupt werden. Schon bevor ich überhaupt den Inhalt kannte, mochte ich dieses Buchcover sehr gerne – schlicht, aber trotzdem bunt und sommerlich. Im Nachhinein passt es noch besser zur Geschichte, die hinter diesem Cover steckt. Die Kopfhörer, der senfgelbe Volvo, Tessa und Oskar auf dem Autodach. Und die Kugel, blau wie das Meer in Italien. Perfekt. Auch die Innengestaltung ist mit Liebe zum Detail gemacht und passt wunderbar zur Geschichte. Man findet eine Karte mit der Reiseroute von Teskar, genauso wie die Playlist, die die beiden auf ihrem Roadtrip durch Italien begleitet. Es sind zwar nur äußerliche Kleinigkeiten, aber diese ergänzen den Inhalt bestens. Dass die Geschichte von Tess und Oskar – Teskar – keine einfache wird, dürfte wohl jedem klar sein. Es ist auch nichts einfach daran, ein junges Mädchen beim Sterben zu begleiten. Und wenn ich ganz ehrlich bin, wollte ich eigentlich keine Bücher mehr lesen, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Nicht, weil sie manchmal unglaublich bedrückend sind, sondern vor allem, weil es scheinbar keine Jugendbücher mehr gibt, die sich nicht mit Krankheiten oder dem Sterben beschäftigen. Trotzdem habe ich zu diesem Roman gegriffen, in vollem Bewusstsein, was mich in etwa erwarten würde. Was ich jedoch nicht erwartet habe, war, wie authentisch Anne Freytag mit diesem elenden Thema umgeht. Was das Sterben und die Krankheit angeht, wird nichts beschönigt. Tessa führt sich genau so auf, wie ich es wahrscheinlich auch tun würde: sie versinkt im Selbstmitleid und ist wütend auf sich und alle anderen, stößt ihre Freunde und ihre Familie von sich. Ich weiß, man sollte gerade diese übrig gebliebene Zeit ausnutzen, auskosten, aber ganz ehrlich? Ich konnte Tessas Verhalten hier viel eher nachvollziehen, als das vieler anderer in anderen Geschichten. “Das Leben wird nicht definiert von den Momenten, in denen du atmest, sondern von denen, die dir den Atem rauben.” – Seite 24 Ich bin eigentlich niemand, der besonders schnell zu Tränen gerührt ist – auch bei John Greens “Mein Schicksal ist ein mieser Verräter” habe ich nicht weinen müssen. Aber hier? Es ist mir zugegebenermaßen ein wenig peinlich, aber ja, ich habe einige Taschentücher verbraucht. Dieser Roman steckt von vorne bis hinten voller Emotionen, die einen überwältigen. Und eins muss man der Autorin lassen: diese verschiedensten Emotionen so stark und gut auf den Leser zu übertragen kann sie richtig gut. Manchmal fand ich diese Emotionsausbrüche, die vielen Adjektive und Beschreibungen zwar etwas zu viel des Guten, aber insgesamt passt es ja doch irgendwie. Die Handlung rund um Tessa und Oskar, ihre einzelnen persönlichen Geschichten sowie ihre gemeinsame Geschichte, sind schlichtweg eine sehr lange und sehr kurvige Achterbahnfart voller Hochs und Tiefs, voller Gefühle. Und das kommt beim Leser definitiv an. Auch wenn solch eine Geschichte wirklich nichts Neues mehr ist und die Handlung im Großen und Ganzen natürlich auch recht vorhersehbar ist, konnte sie mich trotzdem zum größten Teil überzeugen. Der Roadtrip durch Italien ist eine wunderbare Reise, man spürt beim Lesen schon fast den Fahrtwind, die Meerluft und die sengende Hitze der Sonne. Die Liebesgeschichte empfand ich jedoch hin und wieder als etwas zu sehr verklärt, zu zuckersüß, dargestellt – da mochte ich die Authentizität rund um das Sterben doch lieber. Doch manchmal braucht man auch so etwas für eine gute Geschichte. Und das ist “Mein bester letzter Sommer” definitiv. Zwei weitere kleine Kritikpunkte hätte ich noch: ich hätte unheimlich gerne bereits von Anfang an kurze Passagen aus Oskars Erzählperspektive gehabt. So fand ich es ein wenig zu erzwungen, dass diese erst im letzten Drittel der Handlung beginnen. Auch das Ende empfand ich anfangs noch als ein wenig zu abrubt – doch letztendlich hat es dann schon wieder gepasst. “Mein bester letzter Sommer” nimmt seine Leser mit auf eine unfassbar emotionale Achterbahnfahrt der Gefühle. Auf der einen Seite wird man vor Traurigkeit weinen müssen und auf der anderen lacht man Tränen. Doch es lohnt sich sicherlich Tessa und Oskar auf ihrer Reise zu begleiten und nachzulesen, wie Tessa ihren letzten, aber besten Sommer erlebt. Wer mit den vielen Gefühlen und einer ordentlichen Portion zuckersüßen Jugendliebe klar kommt, wird diesen Jugendroman auf jeden Fall lieben.

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