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stefanie aus frei

Posted on 13.9.2020

Das Leben endet zwingend mit dem Tod – aber davor haben wir noch die Chance auf jede Menge Leben „Der Konjunktiv jedoch war das Glitzerpapier auf dem Geschenk namens Leben, und riss man es ab, um nachzusehen, was es für einen bereithielt, ahnte man, dass Gott den Wunschzettel mal wieder nicht hatte richtig entziffern können.“ S. 399 Genau diese Chance auf die Einlösung ihres Wunschzettels ergreift die junge Romy, als sie in der Stadt gerade mit ihrem Traum, als Schauspielerin zu arbeiten, gescheitert ist, selbst in ihrem Job als Souffleuse. Sie kehrt zurück dahin, wo sie sich immer beschützt gefühlt hat, in ihr Dorf, das fast nur noch von den Alten bevölkert wird. Sie ist hier aufgewachsen, gerade ist hier ihre Großmutter gestorben. Gelegentlich ruft noch ihr ebenfalls gescheiterter Kollege Ben an. Im Ort scheint die Zeit stehen geblieben zu sein und Romy deckt ein seltsames Verhalten auf, zu dem eine bestimmte Art der Platzknappheit ihre schrullige Wahlfamilie veranlasst. Als sie in Erwägung zieht, zu bleiben, stößt sie jedoch nicht nur auf Gegenliebe "Lass uns hier, behalt uns im Herzen, genau wie wir dich immer im Herzen behalten. Aber du musst fortgehen." ..."die Zeit verbraucht nicht nur den Körper. Sie verbraucht auch den Geist. Für dich gibt es noch viel zu erleben, für uns nicht mehr." S. 79 Das Dorf ist wie so viele wortwörtlich am Aussterben. Dann hat sie sie, die Eingebung, die aller Leben umkrempeln soll: „Bau es!“ S. 107 Heraus kommt der aberwitzige Plan, ein elisabethanisches Theater aufzubauen und Romeo und Julia aufzuführen, mitten in der Provinz. Und entgegen allen Widrigkeiten. Die Erzählung ist leicht und lustig, zum Nachdenken anregend und melancholisch, traurig und fröhlich – und in jedem Falle anders, als ich selbst während der Lektüre noch erwartet hatte. Hier irgendetwas mehr zu schreiben, birgt die Gefahr, zu viel zu verraten. Zu wenig zu schreiben hingegen könnte bedeuten, dass man diese herrlich verrückte Geschichte übersieht über die Liebe und Freundschaft, Verrat und Vertrauen, Aufgeben und Mut und den Tod und das Leben – ja, das ist viel und das störte auch einige Leser. Ich finde, dieses Buch hier „darf“ das, weil schon die Grundidee, ein ganzes Dorf, das sich verantwortlich fühlt, ein früh mutterloses Kind heranzuziehen zu einer jungen Frau und immer für sie dazu sein, gerne sein darf, nämlich einfach zu schön und viel zu selten. Und weil es ja schon etwas macht mit den Menschen, die so plötzlich so viel wagen und tun, fragt sich nicht nur Romy im Buch: „Wann wurde der eigene Traum zum Alptraum eines anderen?“ S.485 Ich war auch schon so weit, dem Autor dieses Gepäck, dass er ihr und uns da gelegentlich aufbürdet, übelzunehmen, wäre das nicht ganz einfach so leicht, so zart, so bittersüß geschrieben: „Vor Wochen noch war der Tod eine unumgängliche Gewissheit, traurig zwar, aber nicht tragisch. Jetzt jedoch hatten sie, ohne sich dessen gewahr zu werden, begonnen, sich gegen ihn zu wehren.“ S 226 Und man kann noch so sehr darüber nachdenken, was vielleicht mit der einen oder anderen Person im Buch bei einer anderen Ausgangslage passiert wäre, und hier zitiere ich meine wunderbare Oma, die Teil von meinem Dorf war – „wenn das Wörtchen wenn nicht wär….“.

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