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evaczyk

Posted on 29.8.2020

Kann man komisch über Rassismus schreiben? Im Fall von Candice Carty-Williams Debütroman "Queenie" mitunter schon. Queenie, das ist eine 25-jährige Londonerin, deren Großeltern aus Jamaica eingewandert waren. Seit ihr - weißer - Freund eine Auszeit vorgeschlagen hat, ist ihr Leben aus der Kurve geraten. Eigentlich will Queenie nur ihren Tom zurück, doch in der Zwischenzeit hat sie viel zu viele Dates mit Männern, die ihre "schokoladigen" Kurven rühmen, auf one night stands aus sind beziehungsweise auf rein sexuelle Beziehungen aus sind, in denen Queenie mehr Objekt als Partnerin ist. Kein Wunder also, dass es ihr nicht gut geht. Die Ich-Erzählerin mit Hang zu Selbstgeißelung, die sich bei ihren besten Freundinnen mal über die Sehnsucht nach Tom, mal über die Mistkerle ausweint, an die sie immer wieder gerät, der hohe Alkoholkonsum, die eher nachlässig verfolgte Karriere bei einer Zeitung - das alles erinnert an die Lebens- und Liebeskrisen von Bridget Jones. Allerdings mit deutlich dunkleren Untertönen, denn spätestens als Queenie klar wird, dass Tom schon längst ein Leben ohne sie führt, kommt es zum Zusammenbruch und der quälenden Suche nach verdrängten Krisen der Vergangenheit, die Queenie auch in der Gegenwart herunterdrücken. Zum Entsetzen ihrer Großeltern, bei denen sie vorübergehend unterkommt, macht sie sogar eine Psychotherapie. Dabei ist Queenie mit ihren Ängsten, ihren Brüchen und Zweifeln glaubwürdig und sympathisch. Hinzu kommt die Erfahrung, eine Schwarze Frau zu sein, Alltagsrassismus zu erleben, sich über strukturellen Rassismus klar zu werden und vergeblich Themen wie Black Lives Matter für die Berichterstattung der Zeitung vorzuschlagen. Hier liegt allerdings auch eine Schwäche des Buchs, denn irgendwie kann sich die Autorin nicht entscheiden, ob sie Frauen-Freundschaft-Beziehungs-Belletristik oder scharfe Gesellschaftskritik schreiben will, und dabei kommen die schärferen Töne eindeutig zu kurz. Ganz nebenher bekommen die Leserinnen noch einiges über Schwarze Identität und ihre Facetten mit - etwa die karibischen Traditionen von Queenies Familie und die afrikanischen ihrer Freundin, deren Familie aus Uganda stammt, über die Arbeit, die Frau mit ihren Weaves hat (ganz zu schweigen von dem Aufwand, sie wieder zu lösen) über die Veränderungen in einem traditionell westindisch geprägten Stadtteil wie Brixton durch Gentrifizierung und weiße Hipster, die das Viertel als "ihres" vereinnahmen. Es gibt da eine bitterböse Szene im Schwimmbad - da wünschte ich mir, die Autorin hätte diesen Stil das ganze Buch hindurch durchgehalten. Manches wirkt, jedenfalls im London des 21. Jahrhunderts, eher unglaubwürdig, wenn Queenie ihre Schwarze Identität etwa im Kontext ihrer Arbeit als so singulär erlebt. Sie lebt schließlich nicht irgendwo in Sachsen, sondern in einer multiethnischen Metropole mit einer großen Schwarzen Diaspora, wo sie weder an der Uni noch im Arbeitsleben das einzige dunkle Gesicht im Raum sein dürfte. Mein Fazit: Unterhaltsam und warmherzig, mit einem kritischen Touch, der ruhig stärker hätte ausfallen können.

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