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seehase1977

Posted on 27.8.2020

Nostalgischer Besuch auf der Kirmes – Eine Kurzgeschichte, die mich nicht erreichen konnte Die Kirmes kommt und mit ihr eine ganz eigene Welt. Schießbuden, Riesenrad, in der Luft ein Hauch von Bratwurst und Zuckerwatte. Die Besucher vergessen für einen Tag ihre Sorgen und Nöte und verlieren sich in der bunten Glitzerwelt. Die Menschen hinter dem Vorhang sind oft unsichtbar, das fahrende Volk wird mit Skepsis und Arroganz betrachtet und kaum ist die Kirmes abgebaut, sind sie vergessen. Doch die „Kirmser“ sind eine verschworene Gemeinschaft, mit eigener Sprache und festgelegter Hierarchie, die aber angewiesen sind auf das Geld der Besucher in einer Zeit, in der der Glanz der Kirmes immer mehr verblasst… Meine Meinung: Mit seinem Debütroman“ Hool“ hat mich Philipp Winkler seinerzeit absolut begeistert. Herausragend und schonungslos erzählt er dort die Geschichte von dem Hooligan Heiko Kolbe. Entsprechend hoch waren meine Erwartungen an sein neuestes Buch „Carnival“, das eine Reise in die bunte Welt der Schausteller verspricht. Trotz einer poetischen Sprache und einem Hauch von erhoffter Nostalgie, konnte mich Story nicht wirklich fesseln. Die Kinder und Jugendlichen der heutigen Generation kennen sie kaum mehr, die Vorfreude auf die Kirmes, den Rummel, den Jahrmarkt mit seinen Fahrgeschäften, Schieß- und Fressständen. Dieses besondere Gefühl über den Platz zu schlendern und diese ganz besondere, schillernde Stimmung aufzusaugen, die immer auch einen Hauch von verwegener Freiheit beinhaltete. Philipp Winkler gibt den Blick hinter die Kulissen frei und beleuchtet die große, bunte Schausteller-Familie mit ihrer eigenen Sprache, ihrem Zusammenhalt, ihren Wünschen und Träumen. Er erzählt von Aussteigern, die schon in der nächsten Saison wieder zurückkommen und von Menschen, die ihr ganzes Leben bis zum Tod der Welt er Kirmes treu bleiben. Obwohl der Autor sich schon einer fast poetischen Sprache hingibt, wirkt die ganze Geschichte irgendwie herunterzählt. Sie hat mich nicht berührt, weder der besondere Jahrmarkt-Zauber mit all seinen Gerüchen und buntem Treiben, noch die Ernsthaftigkeit, die hinter dieser bunten Fassade steckt, der Kampf der Schausteller ums Überleben in unserer schnelllebigen Zeit. Mein Fazit: Vielleicht haben mich meine hohen Erwartungen an „Carnival“ ausgebremst, der Wow-Effekt ist leider nicht eingetreten, trotz toller Sprache und einem wirklich vielversprechenden und spannenden Thema. Trotzdem hat Philipp Winkler mit seiner Erzählung Kindheitserinnerungen an eine ganz besondere und fast vergessene Zeit geweckt. Eine Leseempfehlung kann ich nur bedingt aussprechen, hier sollte sich jeder seine eigene Meinung bilden, der Eine ist fasziniert und begeistert, der Andere vielleicht eher enttäuscht.

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