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milkysilvermoon

Posted on 7.7.2020

Patrick ist erst 50 Jahre alt, als er bei einem Autounfall stirbt. Für seine Familie ist es ein großer Schock, der alle dazu bringt, über die eigene Lebenssituation nachzudenken. Da ist vor allem Nora Rafferty (73), die gemeinsam mit ihrem bereits verstorbenen Mann Charlie nicht nur Patrick, sondern auch ihre übrigen Kinder John, Bridget und Brian großgezogen hat. Und da ist ihre jüngere Schwester Theresa Flynn, die im Jahr 1957 mit ihr aus Irland per Schiff in die USA gekommen ist und die jetzt als Mutter Cecilia in einem Kloster lebt. Sie alle haben eine Gemeinsamkeit: Sie leiden unter Geheimnissen – unter ihren eigenen und unter denen der anderen. „All die Jahre“ von J. Courtney Sullivan ist eine berührende Familiengeschichte. Meine Meinung: Der Roman besteht aus acht Teilen, einem Vor- und einem Abspann. Die Handlung spielt abwechselnd im Jahr 2009 sowie in der weiter zurückliegenden Vergangenheit, und zwar zwischen 1957 und 1976. Erzählt wird vorwiegend im Wechsel aus den Perspektiven von Nora und Theresa, zwischendurch jedoch auch aus denen von John, Bridget und Brian. Dieser Aufbau funktioniert recht gut. Der Schreibstil ist angenehm, flüssig, anschaulich und eindringlich. Der Einstieg ist ein wenig verwirrend, doch dann habe ich gut in die Geschichte gefunden. Mit Nora und Theresa stehen zwei ziemlich unterschiedliche Schwestern im Mittelpunkt. Mit beiden kann ich mich nicht stark identifizieren, da sie für mich keine typischen Sympathieträgerinnen sind. Dennoch ist ihr Verhalten konsistent und gut nachvollziehbar, denn die Gedanken- und Gefühlswelt der zwei Frauen nimmt viel Raum ein. Die beiden Hauptcharaktere werden vielschichtig und realitätsnah dargestellt. Letzteres trifft auch auf John, Bridget und Brian zu, die ich ebenfalls als interessante und facettenreiche Figuren empfinde. Gut gefallen hat mir auch, dass im Roman viele verschiedene Themen angesprochen wurden. Der rote Faden sind dabei die Konflikte, die die Folge von Lügen und Heimlichtuerei sind. Die Handlung wird durch das stückweise Aufdecken mehrerer Geheimnisse abwechslungsreich und unterhaltsam. Gleichzeitig regt der Roman zum Nachdenken an. Die Geschichte hat einige Wendungen zu bieten, die teils mehr, teils weniger vorhersehbar sind. Vor allem in der Mitte kommt es aber zu einigen Längen, die besonders durch unnötige Wiederholungen entstehen. Ich habe den Roman als ungekürzte Hörbuchversion gehört. Sprecherin Svenja Pages hat mit ihrer angenehmen Stimme dabei einen guten Job gemacht. Das Cover ist nicht nur ansprechend gestaltet, sondern passt auch thematisch gut zum Roman. Der deutsche Titel ist nicht so kreativ wie das amerikanische Original („Saints for all Occasions“), jedoch ebenfalls treffend gewählt. Mein Fazit: „All die Jahre“ von J. Courtney Sullivan ist ein komplexer und authentischer Familienroman, der viel Tiefgang zu bieten hat und für unterhaltsame Stunden sorgt.

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