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awogfli

Posted on 26.6.2020

Typisch Houelle, weist der Roman wie erwartet mehrere gravierende Ärgerfaktoren auf. Da wäre mal zuerst der widerliche Sexismus des Autors: Frauen verwelken bereits in jungen Jahren schlagartig, es gibt Frauen für die Küche und Frauen als Dirne - am besten für beides. Wenn sie keine von beiden Fähigkeiten haben, sind sie nutzlos. Zweitens habe ich den alternden Penis des Hauptprotagonisten (vulgo Penis des Autors) bereits in vorhergehenden Romanen wie z.B. Platform viel zu genau kennengelernt, und in welchen Scharen von Frauen bzw. Öffnungen er sich immer herumtreibt, das wird wirklich mittlerweile ganz schön langweilig. Es muss schon ein sehr frustrierendes Leben sein, wenn sich ein Mann fast ausschließlich über sein (bestes) Stück definiert. Am meisten überrascht hat mich aber der Umstand, dass Houelle auch diesmal seine atemberaubende Technologieunkenntnis, die schon in Platform offenbart wurde, nicht ausgemerzt hat. Er hätte ja mal jemanden fragen können. Juhu die Hauptfigur hat zwar in dieser Dystopie, die einige Jahre in der Zukunft spielt, ein Smartphone, es gibt auch Eingangstüren mit Fingerprintscan, aber Plagiatssoftware im akademischen Betrieb ist komplett unbekannt. Das erschüttert insofern, da sich solche Software schon HEUTE im Einsatz befindet und semantische Vergleichsalgorithmen bereits 2001 entwickelt wurden. Insofern ist jene Aussage bereits im heutigen Unibetrieb schier unmöglich - respektive totaler Schwachsinn, es sei denn wir reden von einer Uni im Busch irgendwo in Mittel-Afrika, die kein Geld für Software und Digitalisierung hat, aber sicher nicht von der Sorbonne. "Rimbaud ist das am häufigsten durchgekaute Dissertationsthema der Welt, mit Ausnahme vielleicht Flaubert. Man muss sich nur zwei, drei alte Arbeiten heraussuchen, die an Provinzuniversitäten eingereicht wurden, und sie grob interpolieren, niemand verfügt über die materiellen Mittel, das zu überprüfen, niemand hat die Zeit und die Lust, sich in Hunderttausende Seiten unverdrossener Ergüsse charakterloser Studentenüber die "Seher-Briefe" zu stürzen." Wow! Houellebecq hat tatsächlich noch nie von einer Plagiatssoftware gehört. Ansonsten ist der Unibetrieb aber sehr gut recherchiert und herrlich treffend mit spitzer Feder beschrieben, obwohl der Autor noch nie eine Uni von innen gesehen hat (er bedankt sich auf der letzten Seite bei Agathe Novak-Lechevalier für das Briefing): Die akademischen Empfänge, die Eitelkeiten, die subtilen Vernaderungen und die tieffliegenden Hackln in den altehrwürdigen akademischen Gängen sind so genial gezeichnet! Sogar der Ausverkauf, die Anbiederung fast schon Prostitution der Unis, um mangels ausreichender staatlicher Finanzierung, die für den Studienbetrieb dringend benötigten Drittmittel zu generieren, wurde grandios in den Plot eingebaut. Auch der Idee und der Vision dieser politschen Dystopie, wie sie der Autor generiert hat, kann ich nur riesengroße Hochachtung zollen - geniales Vorstellungsvermögen und großartige politische Fiktion: In Frankreich kooperieren die Sozialisten mit den Muslimbrüdern, um an der Macht zu bleiben und um die rechten Identitären zu verhindern. Da beide Parteien annähernd gleich stark sind, müssen die Sozialisten riesige Zugeständnisse an die Moslems machen, was den laizistischen Staat mit seinem Wertesystem total aus den Angeln hebt. Scharia light wird quasi eingeführt. Leider offenbart sich in der Ausgestaltung und detaillierten Konzeption der politischen Vision jene Schwäche des Romans, die ich als am gravierendsten erachte (alle anderen habe ich ohnedies erwartet und hätte ich auch gar nicht so streng gewertet, mittlerweile kenne ich ja den Autor). Da der gesamte Umbau der Gesellschaft konsistent aus der Sicht der Hauptfigur erzählt wird, des widerlichen Opportunisten und Wendehalses, der seine lazisistische, teilweise auch agnostische Prägung sehr gerne und in vorauseilendem Gehorsam für eine gute Karriere und der Möglichkeit zur Polygamie über Bord wirft, wird nie beleuchtet, wie eine solche politische Situation konkret passieren konnte. Erstens gibt es nicht nur Opportunisten, die sich mit ein bisschen Geld bestechen und so einfach zum Islam konvertieren lassen. Zweitens wie konnten die ganzen Atheisten in Frankreich überzeugt bzw. mundtot gemacht werden? Und drittens und somit der gravierendste logische Fehler in diesem Buch: Wie konnten so schnell 50% der Bevölkerung nämlich die Frauen, ohne Krieg, Aufstand und Protest all ihrer Rechte beraubt werden? Das würde ich gerne wissen und zu diesen gesellschaftspolitischen Umwälzungen hätte er sich schriftstellerisch unbedingt irgendetwas einfallen lassen müssen. Eine solche Konstellation ohne Gegenwind ist total unrealistisch und fußt wahrscheinlich im Umstand, dass in Houellebecqs Universum Frauen, ihre Meinungen und Bedürfnisse irgendwie noch nie wirklich exisistiert haben. Auch wenn Frankreichs Paradesexist dies negiert, sind sie aber tatsächlich da und nur zu einem verschwindend geringen Prozentsatz bis zur Selbstaufgabe so willig, wie er sie sich in seiner beschränkten Vorstellungswelt gern zeichnet. Insofern ist die Vision der Dystopie großartig aber die konkrete logische und strategische Ausgestaltung derselben grottenschlecht. Er hat einfach seine Hirngespinste nicht auf den fiktiven Boden der "Realität" gebracht. :-). Insofern bin ich enttäuscht und kann den begeisterten Kritiken auch in dieser Hinsicht nicht zustimmen. Andererseits beschreibt er die politischen Ränkespiele und Koalitionen der einzelnen Parteien mit sehr treffender Feder. Also wenn Männer Männersachen machen. Oft fühlte ich mich an die derzeitige Situation in Österreich erinnert. Auch die Erkenntnis, dass unsere rechte Identitäre Bewegung dem orthodoxen Islam extrem ähnlich ist, was den erbitterten Kampf der beiden gegeneinander auch in einem anderen Licht erscheinen läßt. Die Linke, die in ihrer falsch verstandenen Toleranz des Islam bereit ist, gleichmütig die Trennung von Staat und Religion aufzugeben und dabei vergisst, dass sie die Rechte Pest durch die Rechte Cholera eintauscht. Das haben wir ja bereits heute in der Kopftuchdebatte. ... aber der ganze Artikel war ein einziger Aufruf an seine früheren traditionalistischen und identitären Freunde. Es sei tragisch, bekundet er leidenschaftlich, dass eine irrationale Feindseligkeit gegenüber dem Islam sie daran hindere, die folgende Gewissheit nicht zu erkkennen: sie seien in den wesentlichen Punkten völlig im Einklang mit den Moslems. Was die Ablehnung des Atheismus und Humanismus angehe, die notwendige Unterwerfung der Frau und die Rückkehr des Patriachats: Ihr Kampf sei in jeder Hinsicht derselbe. Fazit: Wenn ich alle Pluspunkte und Ärgerfaktoren in eine Wagschale werfe, ergibt dies exakt drei Sterne. Der Roman ist auf jeden Fall selten langweilig und das bedeutet schon viel. Im Sinne des Buches als Grundlage für weitere Diskussionen, gebe ich dennoch eine Leseempfehlung ab, wenn man über die logischen Schwächen, die faden Sexszenen und den grauslichen Sexismus hinwegkommen kann.

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