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SternchenBlau

Posted on 23.5.2020

„Prinzessinnenjungs“ war für mich sofort ein Must-Read, als ich es erstmals entdeckt habe: Ich habe selbst einen Sohn, der Star Wars und seine Blaster genauso mag wie Bibi Blocksberg, Pailetten-T-Shirts und seine langen Haare und ist mit viel mehr Mädchen befreundet. Ein Prinzessinnenjunge also, dem Genderzuschreibungen zum Glück total egal sind. Zu seiner Unterstützung wollte ich unbedingt dieses Buch lesen, erst recht. Und dazu mag ich die Texte von Autor und Journalisten Nils Pickert sehr gerne, ob es nun Artikel oder Tweets sind. Wir sitzen in der Geschlechterfalle. Und wie der Untertitel schon sagt, müssen wir auch die Söhne daraus befreien. Pickert schildert ganz eindringlich, wie sehr binäre Geschlechter-Zuschreibungen auch Jungen einengen, weil ihnen ihre sensible, kreative Seite nach und nach abtrainiert wird. Mit Feminismus, der ja die Emanzipation von Frauen und Männern zum Ziel hat, habe ich mich jetzt schon seit meiner Teenagerzeit beschäftigt. Viele Aspekte waren mir daher nicht neu, aber ich fand es sehr erhellend, diese Aspekte aus der Männersicht zu lesen. Ein einfaches Beispiel: Ich habe dann doch eine anderen Blickwinkel, denn auch, wenn es mich aufregt und abwertet, wenn „Mädchen“ als Schimpfwort gebraucht wird, ist es doch anders, als wenn ein Mensch so beschimpft wird. Pickert macht das genaue GEGENTEIL von Mansplaining, er zitiert Frauen, wo es angebracht ist, und durch seinen persönlichen Erfahrungen wird das Buch absolut stimmig. So schildert er zu Beginn, wie der Ausflug mit seinem Sohn im Rock abgelaufen ist. Pickert erzählt im Buch sehr offen auch von eigenen blinden Flecken und Vorurteilen. Das macht er sehr sensibel und stimmig und sehr nachdrücklich, und dazu auch mit scharfem Witz, schon alleine dafür gibt es von mir eine Leseempfehlung. Nils Pickert grenzt sich sehr deutlich und bewusst von den sogenannten Männerrechtlern ab oder auch von jeder Form des „Whataboutism“, der gerne reflexartig aufkommt, wenn es um Frauenrechte geht. Die so immer dagegenreden, nennt Pickert Heckler: „Die Hecklerfrage ‚Aber was ist mit den Jungen?‘ Denkt diese Probleme nicht zusammen (Anm.: also die von Männern und Frauen)sondern spielt sie gegeneinander aus. DAs hat nichts mit Geschlechtergerechtigkeit zu tun. Uns so lässt sich auch nicht produktiv darüber sprechen, wie Männer zu Opfern gemacht werden. Stattdessen belässt es diese Taktik alles beim Alten. Wir werden aber nur dann originäre, wirkmächtige und hilfreiche Jungen- und Männerarbeit leisten können, wenn wir einsehen, dass Frauen und Mädchen nicht unsere Feindinnen sind. Die wahren Feinde heißen Gewalt, Missachtung, Geschlechtszurichtung und Ignoranz.“ Denn, da bin ich fest überzeugt, gibt es eine deutliche Schieflage für Jungen und Männer, darum kämpft der Feminismus ja nicht nur für Frauen. Gerade das Thema „Gewalt“ schildert Pickert sehr differenziert und spannend. Wie unsere Gesellschaft die Aggression Männern zuweist, wird letztendlich Frauen UND Männern geschadet. Einen Augenöffner für mich fand ich das Kapitel über die fehlenden Arztbesuche der Männer und was dies den Jungen vorlebt, da können wir in der Familie noch was ändern! Etwas schade fand ich, dass trans Männer leider nicht vorkommen. Was es „Prinzessinnenjungs“ so schwer macht, sind gesellschaftliche Erwartungen. Pickert zeigt die Problemfelder auf, und es gibt leider noch ganz viele davon. Obwohl ich das weiß, hat mich das manchmal beim Lesen wütend und traurig gemacht, dass ich das Buch immer wieder für ein paar Tage weggelegen musste. Denn auch, wenn wir als Eltern schon vieles umsetzen, ist der Weg zu einer echten Gleichberechtigung leider noch weit. Um etwas zu ändern braucht es die Mithilfe von sehr, sehr vielen Menschen. Darum ist ein solches Buch so wichtig. Ich hatte mir noch einige ganz konkrete Hinweise erhofft, was aber im Rahmen des Buches und auch generell wohl schwer umzusetzen ist: Hinweise, wie ich denn meinen Sohn NOCH mehr dabei unterstützen kann, damit er so bleiben kann, wie er möchte, und damit er seine Prinzessinnenseite weiter ausleben kann. Etwas ratlos bleibe auch auch bei der Frage, wie mein Sohn auf Anfeindungen reagieren sollte. Da wir hier in einer sehr aufgeschlossenen Gegend wohnen, gab es bislang nur Irritation (allesamt von Erwachsenen), aber keine Aggression. Auf alle Fälle hat mich das Buch darin bestätigt, dass wir in Bezug auf Gender-Bilder in unserer „Erziehung“ auf einem guten Weg sind. Total bewegend fand ich Pickerts Aufforderung, dass die Eltern auch HeldINNEN als Vorbilder benennen sollten, um so was wie „Mädchen“ gar nicht zum Schimpfwort werden zu lassen. Das ist so wichtig und mir ging das Herz auf, weil mein Sohn das bei fiktiven Figuren aber auch realen Personen von sich aus schon macht. „Prinzessinenjungs“ habe ich sehr gerne gelesen. Seine größte Kraft kann das Buch meiner Meinung nach, seine größte Kraft bei den Eltern entfalten wird, die offen für dieses Thema sind, sich aber damit noch kaum beschäftigt haben. Fazit Ein wichtiges Buch, das hoffentlich viele Eltern motiviert, außerhalb der Geschlechterrollen zu denken – damit Jungen Prinzessinnen bleiben dürfen. Besonders hat mir gefallen, wie persönlich und eindringlich Pickert schreibt. Eine klare Empfehlung, vor allem für Einsteiger ins Thema. Aber auch so habe ich das Buch sehr gerne gelesen.

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