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Matzbach

Posted on 4.5.2020

Siebenhunderttausend (!) deutsche und französische Soldaten sterben auf engstem Raum während der 300 Tage dauernden Schlacht. Vorwärts stürmende Angreifer müssen durch einen Morast aus verwesenden Leichen waten, um ihr Kampfziel zu erreichen. Giftgas, Flammenwerfer und Granatenregen gehören zum Alltag. Überlebende sind körperlich und seelisch gezeichnete Menschen. All das sind die Begleiterscheinungen und Folgen der Schlacht um die Festung Verdun, die bis heute Grauen erregt. Zahlreiche Familien sind von diesem Gemetzel betroffen, so auch die meinige. Meine Großmutter verlor zwei Brüder dort, die offiziell als verschollen gelten. Dabei ist das Zynische an der Angelegenheit, dass der Besitz der Stadt eigentlich strategisch bedeutungslos war, er verschaffte weder der einen noch der anderen Seite deutliche Vorteile. Doch als der Kampf entbrannte, wurde er schnell zu einer Prestigefrage für beide beteiligten Nationen. Für die deutsche Seite kam ein Rückzug in die Ausgangsstellungen nach deutlichen Erfolgen in der Eingangsphase nicht mehr in Frage, für die Franzosen war die Aufgabe der Stadt, die nicht wesentlich geschwächt hätte und von einigen Generalen auch durchaus angedacht war, aus politischen Gründen undenkbar. So begann das blutige Ringen um jeden Quadratmeter. Olaf Jessen beschreibt in seinem Buch minutiös den Verlauf dieser "Urschlacht" des 20. Jahrhunderts, die viel von dem Schrecken des 2. Weltkriegs vorwegnahm. Dabei widmet er sich auch ausgiebig den strategischen Überlegungen, die die damals verantwortliche Heeresleitung und ihren Stabschaf, Erich von Falkenhayn, zu diesem Wahnsinnsunternehmen getrieben haben. Deutlich wird, dass Verdun anfangs nicht Selbstzweck war, sondern der Versuch, die Alliierten zu einer Reaktion zu zwingen, nämlich einem überhasteten Entlastungsangriff der als wenig kampfstark angesehenen britischen Truppen in Flandern. Nach dessen erfolgreicher Abwehr sollten nachstoßenden deutsche Reservedivisionen den Stellungskrieg aufbrechen und den Gegner moralisch zermürben., so die Planungen der OHL. Doch das Ausbleiben des britischen Gegenstoßes verlagerte den Schwerpunkt der Kriegsführung dann eben doch auf Verdun. Später rechtfertige sich Falkenhayn in seinen Memoiren mit Begriffen wie "Saugpumpe", "Knochenmühle" und "Weißbluten". Demnach sei es sein Plan gewesen, die Franzosen zu Angriffen auf die gut befestigten Stellungen der Deutschen zu nötigen, was zu einem extrem hohen Verlust französischer Soldaten geführt habe. Dass dabei auch deutsche Soldaten über Gebühr geopfert wurden, ist wohl der militärischen Logik geschuldet. Dieses "Ausbluten" der französischen Truppen war dann auch das Argument, mit dem Forderungen anderer deutscher Generale, den sinnlosen Kampf abzubrechen, abgeschmettert wurden. Dabei wurde durchaus mit falschen Zahlen jongliert, dem Kaiser und andern Befehlshabern wurde suggeriert, die Zahl der getöteten Franzosen sei etwa doppelt so hoch wie die der deutschen. Tatsächlich halten sich die Opferzahlen in etwa die Waage.

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