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buecher_rauschen

Posted on 3.4.2020

In "Das Fieber" behadelt Makiia Lucier die Spanische Grippe von 1918. Gerade im Moment weist das Buch deutliche Parallelen zur sehr realen Corona-Pandemie auf. Das macht es aber nicht weniger lesenswert, im Gegenteil. Nur sollte man sich vorher überlegen, ob man mit einem Buch der Realität entfliehen will oder ein Buch über die aktuelle Realität lesen möchte. Die 17-jährige Protagonistin und Ich-Erzählerin Cleo meldet sich freiwillig als Helferin für das Rote Kreuz. Auch ihre Stadt ist nicht von der Spanischen Grippe verschont geblieben und sie wird mit Schul- und Ladenschließungen, Notkrankenhäusern, Verzweiflung, unmöglich durchführbaren Beerdigungen etc. konfrontiert. Dinge, die ich vor wenigen Wochen noch schlimm gefunden hätte, die aber doch weit weg gewesen wären. Ein Buch eben und sicher hätte ich mir das niemals so real vorstellen können, hätte es mir niemals so drastisch vorstellen können, hätte es vielleicht für ein wenig übertrieben gehalten - wenn wir nicht aktuell in derselben Situation wären. Die Parallelen dessen, was Cleo erlebt und was gerade auf der Welt geschieht, haben mich immer wieder erschreckt. Aber das hat auch dafür gesorgt, dass ich das Buch ernster genommen habe und es geglaubt war. An keiner Stelle mehr habe ich Luciers Darstellungen für übertrieben gehalten - und ich bin mir sicher, dass sie das nie waren. Aus dem Nachwort geht hervor, dass sie auch einiges an Recherchearbeit für das Buch geleistet hat. Aber ein Buch lebt noch von viel mehr als nur von der Handlung. Es lebt auch von den Figuren und vom Schreibstil. Auch hier hat Lucier jedoch ganze Arbeit geleistet. Cleo ist eine starke Protagonistin und ich habe sie für ihren Mut bewundert. Ihre Motive waren nachvollziehbar, ebenso wie ihre Entwicklung. Es geht in dem Buch eben nicht nur um die Spanische Grippe, sondern auch um eine Teenagerin auf der Suche nach sich selbst. Und genau das hat Lucier sehr gut dargestellt. Sie zeigt, wie Cleo mit sich und ihren Entscheidungen hadert, sie zeigt auch, wie Cleo immer wieder Hoffnung schöpft. Dazu trägt auch die Liebesgeschichte ihren Teil bei. Ja, das ganze hat sich recht schnell entwickelt, aber es handelt sich hier nicht um einen Liebesroman. Trotz allem blieb die Liebesgeschichte im Hintergrund und wurde durch eine Freundschaftsgeschichte ergänzt. Beides ergänzt auch das Buch perfekt, weil es in all dem Schrecken Hoffnung weckt, und zeigt, dass eben doch nicht alles nur schlecht ist. Angenehm fand ich auch Luciers Schreibstil. Sie schreibt in einfacher Sprache, aber oft sehr bildich, ohne zu bildlich zu sein. Man kann sich vorstellen, wie die Patienten leiden, aber sie sieht von zu detaillierten Beschreibungen ab, sondern konzentriert sich auf das Allgemeine. Das fand ich in diesem Fall sehr gut, weil das Buch ohnehin sehr viele Emotionen bei mir geweckt hat. "Das Fieber" ist ein Buch, das ich nur empfehlen kann. Allerdings kann ich es momentan nicht uneingeschränkt empfehlen, zu nah ist es an unserer Lebensrealität. Dennoch ist es ein Buch, das Hoffnung weckt und zeigt, dass auch kleine Gesten einen dunklen Tag erhellen können.

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