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the booksquirrel

Posted on 28.3.2020

„Gespräche mit Freunden“ – Sally Rooney Inhalt: Die Anfang 20-jährige Frances und ihre Ex- und jetzt beste Freundin Bobbi arbeiten neben ihren Studien in Dublin als Schriftstellerinnen und treten bei Spoken-Word-Events auf. Frances steht ein wenig im Schatten ihrer schönen und egozentrischen Freundin Bobbi. Eines Tages lernen sie die Fotojournalistin Melissa und deren Mann Nick, der Schauspieler ist kennen. Das Ehepaar ist rund zehn Jahre älter. Nick und Frances beginnen eine Affäre, während Bobbi von Melissa fasziniert ist. Die Ehe zwischen Nick und Melissa scheint in Trümmern zu liegen, dennoch erwägen sie nicht, sich zu trennen, nicht mal, nachdem Melissa von der Affäre erfährt… Über die Autorin: Sally Rooney wurde 1991 geboren, ist im County Mayo aufgewachsen und lebt in Dublin. Dort studierte sie am Trinity College Politik und Literatur. „Gespräche mit Freunden“ ist ihr Debütroman und kam unter anderem auf die Shortlist des Sunday Independent Newcomer of the Year Award 2017, des International Dylan Thomas Prize und des Rathbones Folio Prize 2018. Außerdem gewann Sally Rooney den Sunday Times Peter Fraser & Dunlop Young Writer oft he Year Award 2017 Meine Meinung: Ein viel diskutierter, literarischer Roman, der mich begeistert und zugleich angewidert hat. Lange habe ich nun überlegt, woran dies liegt und habe schließlich meine persönliche Antwort gefunden: Aufgrund des Verhaltens der Personen in dieser Geschichte, fällt es mir wahnsinnig schwer, auch nur ein Fünkchen Sympathie für diese aufzubringen. Die arrogante, beruflich erfolgreiche Melissa, die ihren Mann bereits mehrfach betrogen hat, dennoch an der kaputten Ehe festhält und ihren Mann emotional komplett unter Kontrolle hat – ihr Mann Nick, ein psychisch erkrankter, sehr gut aussehender Schauspieler, der nach Anerkennung lächzt, sehr emotional unreflektiert und rücksichtslos die Affäre mit der 10-Jahre jüngeren Frances beginnt – Frances, unsere Protagonistin, die nach außen hin kühl agiert, sich relativ gewissenlos (sie hasst Melissa sogar) mit Nick auf eine Affäre einlässt und sich selbst gegenüber permanent selbstverletzendes Verhalten, sowohl physisch als auch psychisch zeigt und zuletzt Bobbi, die fast schon narzisstisch gestörte, selbstgerechte Verhaltensweisen an den Tag legt, unreflektiert und zu selbstverliebt ist. Ferner lernen wir den alkoholkranken Vater Frances‘ kennen, auf dessen monatlichen Geldzuschuss Frances angewiesen, dem sein Leben aber völlig entglitten ist und die von ihm getrennt lebende Mutter, die emotional kühl, distanziert und wenig zugänglich scheint. Es ist kaum auszuhalten, wie sich jede einzelne Figur in diesem Buch selbst schadet und das auf mehreren Ebenen. Und dann die wundervolle Kehrseite dieses Buches: Mich hat unglaublich fasziniert, wie viel emotional intelligenter die Autorin im Vergleich zu ihren Figuren ist. Obwohl die Figuren hier oft auf der Stelle treten und sowohl wenig Eigen- als auch Fremdreflektion zeigen, erkennt man dennoch, dass die Autorin die psychologischen Hintergründe ihrer handelnden Figuren begriffen und ausgearbeitet hat, auch wenn die Figuren im Rahmen der Geschichte, dem Wissen der Autorin deutlich nachstehen. Ich habe mir in diesem Buch so viele geniale Sätze markiert, die psychologisch einfach nur eine phänomenale Beobachtungsgabe erfordern. Abschließend ein Buch, das ich jedem empfehlen kann, der sich für menschliche und zwischenmenschliche Abgründe interessiert, der gerne das Auswirken diverser Selbstbilder und Persönlichkeitsstörungen auf Beziehungen beobachtet und der einfach ein leicht zu lesendes Buch verschlingen möchte, dessen Geschichte man auch ganz ungedeutet versteht.

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