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doreen

Posted on 28.3.2020

Neue Bücher von David Foenkinos sind stets Pflichtlektüre für mich. Insbesondere in diesem speziellen Buchfall. Schließlich bewirbt der Penguin Verlag den aktuellen Roman des französischen Schriftstellers mit den Worten: Wer »Nathalie küsst« mag, wird »Die Frau im Musée d’Orsay« lieben. Also ich habe Nathalie küsst vor einigen Jahren gerne gelesen. Sehr sogar! Deshalb war ich neugierig, ob ich diesen künstlerisch untermalten Roman tatsächlich lieben werde. Eines sei vorab verraten: Ich mag weiterhin die sporadisch eingearbeiteten Fußnoten, die typisch für David Foenkinos sind und kenne nun die Übersetzung von »Die Toilette befindet sich am Haupteingang« auf Englisch, Spanisch, Chinesisch, Japanisch, Russisch, Italienisch und Arabisch. Dieses Mal lädt Foenkinos den Leser nach Paris ein, in das Kunstmuseum Musée d’Orsay – wie es der deutsche Buchtitel bereits verrät. Doch wer ist die erwähnte Frau im Buchtitel? Und welche Rolle spielt sie für den eingangs verschlossenen Protagonisten Antoine Duris? Die Antwort darauf lässt auf den ersten Seiten nicht lange auf sich warten … und ist dennoch nicht so einfach zu beantworten. Denn eigentlich gibt es in diesem Roman nicht nur eine Frau, die Antoines Aufmerksamkeit auf sich zieht und eine zentrale Verbindung zu besagtem Museum herstellt. Klar hingegen ist die Tatsache, dass sich der Romanheld in einer schweren Lebenskrise befindet. Warum das so ist, offenbart Foenkinos innerhalb von vier Hauptteilen, in denen Antoines Charakter zeitweise in den Hintergrund gerückt und ein höchst bedrückendes Kapitel aufschlagen wird. Wie gewohnt, beleuchtet Foenkinos seine Geschichte (in Gestalt eines allwissenden Erzählers) aus mehreren Blickwinkeln heraus. So erfährt man innerhalb eines Kapitels keineswegs nur, was in Antoines Kopf vorgeht, sondern parallel, was die neugierige Personal-chefin Mathilde an dem für sie »speziellen Fall« fasziniert. Eingangs gibt Antoine nicht nur für Mathilde ein rätselhaftes Bild ab, das es näher zu begutachten lohnt – neben der brennenden Frage, ob der Kunstkenner mit dem Schauspieler Romain Duris* verwandt ist. Auch als Leser beschäftigt einen die Frage, warum Antoine plötzlich aus Lyon geflohen ist, um in Paris als stiller Beobachter in einem Kunstmuseum anzuheuern. Im zweiten Kapitel wird schließlich seine Vergangenheit näher betrachtet und es kommt ein von der Liebe desillusionierter Kunstprofessor zum Vorschein, der in seinem unglücklichen Verhalten (besonders Frauen gegenüber) zuweilen an Sympathie einbüßt, sein Fehlverhalten aber immerhin einsieht und Besserung gelobt. Antoine ist eben auch nur ein (fiktiver) Mensch, der zeitweise in einer Sinnkrise feststeckt und mit gegenwärtigen Schuldgefühlen zu kämpfen hat. Als ich das dritte und geheimnislüftende Hauptkapitel aufschlug, konnte ich das Buch vollends nicht mehr aus der Hand legen. Ich möchte diesbezüglich nicht zu viel verraten, weil es interessierten Leser/innen die Spannung nehmen könnte. So viel darf aufgrund der Verlagsbeschreibung aber verraten werden: Es geht um die Kunststudentin Camille, deren Name früher im Roman bereits kurz erwähnt wird. Eigentlich bekommt man schnell eine Ahnung davon, in welche Richtung sich ihre Geschichte entwickeln wird. Wie vorab erwähnt: Es wird ein bedrückendes Kapitel aufgeschlagen, das dank Foenkinos prägnantem Schreibstil (sowie der gelungenen Übersetzung von Christian Kolb) aber an Farbkraft gewinnt und aufgrund der ernsten Thematik zum Nachdenken anregt. Ohnehin wird die Liebe zur Kunst hier auf eine schmerzvolle wie mitreißende Art zelebriert – selbst für eine Kunstbanausin wie mich. Und was ist mit dem abschließenden Kapitel? Ich muss gestehen: Die Auflösung um Antoines Flucht hat mich, aufgrund der zusammenfassenden Erzählweise, leicht ernüchtert. Das zu erklären, fällt mir schwer. Nur soviel: Im Vergleich zu Camilles Leidensgeschichte erschien es mir plötzlich wie ein überdramatisiertes Schwarz-Weiß-Portrait. Denn das letzte Kapitel vollendet die Geschichte mit einem (zugegeben) versöhnlichen, für mich jedoch viel zu rasch erzähltem Ende. Die Würze in der Kürze lässt hier zuweilen an Tiefe vermissen. So ist die »Liebesgeschichte« zwischen Antoine und Mathilde eher oberflächlich gezeichnet. Man erlebt sie vielmehr zwischen den Zeilen. Das ist jedoch Geschmackssache und gehört eben zum Schreibstil von David Foenkinos. * Romain Duris spielte u. a. in »Der Schaum der Tage« sowie »Der Auftragslover« die männliche Hauptrolle. Ich empfehle zudem die französische romantische Komödie »Mademoiselle Populaire«. Kurz gesagt: Ein gefühlvoll wie spannend erzähltes Drama, das die Liebe zur Kunst einfängt und aufgrund der ernsten Thematik zum Nachdenken anregt. Die Auflöung um Antoines Flucht und das darauffolgende letzte Kapitel sind dann gewiss Geschmackssache. Aber sehr lesenswert!

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