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anni k. mars

Posted on 24.3.2020

In diesem Buch dreht sich alles um Archibald Ferguson, geboren und aufgewachsen in den 1950er und 60er Jahren in den USA. Das ist aber schon fast alles, was die vier Archies gemeinsam haben. Denn dieses Buch beschreibt vier Varianten des gleichen Lebens. Vier verschiedene Ausformungen des gleichen Individuums, das von seiner Umwelt beeinflusst wird. Das hat mich an diesem Roman so interessiert. Da er mehr als 1200 Seiten lang ist, wusste ich auch, dass es ein detailreicher Spaß werden wird und das mag ich ja sehr gern. Archie wird als Sohn von Rose und Stanley Ferguson geboren, deren Liebes- und Familiengeschichte wir im ersten Kapitel 0.1 erfahren, sodass wir einen guten Überblick über ihre Lebensumstände haben. Das ist die Ausgangssituation. Ein Archie hat eine gute Beziehung zu seinem vom Pech verfolgten Vater Stanley, ein anderer Archie hält überhaupt nichts von seinem Erzeuger. Ein Archie interessiert sich für Journalismus und die politischen Unruhen an den amerikanischen Universitäten, ein anderer beachtet eher die Sportergebnisse in der Zeitung. Ein Archie schreibt gern Geschichten und Gedichte, ein anderer treibt lieber Sport wie Baseball und Basketball. Ein Archie verliebt sich in ein Mädchen, ein anderer Archie hat dieses Mädchen zur Schwester. Ein Archie ist ein Weiberheld, ein anderer ist bisexuell. Und so könnte man diese Liste ewig weiterführen. Auster hat wirklich sehr gut dargestellt, wie bestimmte Lebensumstände zu bestimmten Abneigungen, Vorlieben und Verhaltensweisen führen können. Wie die Beziehung zu unseren Eltern alle kommenden Beziehungen beeinflussen. Und auch, wie ein Leben durch einen blöden Zufall ausgelöscht werden kann. Die Abschnitte der gleichen Zeitspanne sind sehr unterschiedlich gestaltet, sodass man nicht auf schnöde Doppelungen oder ähnliche Sätze trifft. Der Autor legt in den verschiedenen Archieleben ganz unterschiedliche Schwerpunkte. Zum Schreibstil des Autors muss allerdings auch etwas gesagt werden, denn der wird nicht jedem gefallen. Die Sätze sind unheimlich lang. Dabei aber nicht verwirrend und zu verschachtelt. Ich fand es im Gegenteil sehr fließend und angenehm, so lange Sätze zu haben. Außerdem gibt es extrem wenig Dialog in diesem Buch. Es wird eigentlich alles ‚erzählt‘ und das könnte doch den einen oder anderen stören. Selten ist man so richtig ‚mitten im Geschehen‘. Es wird von einem personalen Erzähler erzählt, der ab und zu auch wertend kommentiert oder Geschehnisse vorwegnimmt. In den Archie Leben werden viele historische Ereignisse wiedergegeben, beispielsweise der Mord an JFK oder die studentischen Unruhen. Es war besonders spannend zu sehen, wie unterschiedlich die Archies auf diese Ereignisse reagierten. Die Erzählweise ist ein tolles Experiment und ich hätte in diesem Stil gern noch weiter gelesen.

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