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sommerlese

Posted on 4.3.2020

Anais verschwindet aus dem Leben ihrer Familie und hinterläßt ihrer 8jährigen Tochter Manon nur einen Abschiedsbrief. Manon ist innerlich zerrissen vor Sehnsucht nach ihrer geliebten Mutter. Schon entwickelt sie krankhafte Ticks, um damit ihre Mutter zurückzugewinnen. Auch ihr Vater Pierre hat sich selbst in seinem Kummer vergraben. Er vernachlässigt sich und ebenso seine Tochter. Die Tante Sophie erkennt das Leid in dieser Familie und versucht vergeblich zu helfen. Auch sie hat Probleme in ihrem eigenen Leben. Ihre Transsexualität macht ihr im Umgang mit anderen Menschen stark zu schaffen. Da entdeckt Anatole, der ehemalige Lehrer, Manons Rückzug in die Einsamkeit. Durch ihre Liebe zu den Büchern gewinnt er schließlich ihr Vertrauen und ihre Zuneigung. Das Buch "Der kleine Prinz" wird ihr gemeinsames Leseerlebnis. Die vier Personen beschließen nach Marokko zu fahren und Anais zu suchen. "Der Duft nach Safran, Leder und Zimt in den marokkanischen Souks, die er als junger Mann erkundet hat; die Töpferwaren, die handgewebten Teppiche, die Kinder auf der Straße, die Ziegen in den Bäumen; die Orangenbäume am Straßenrand, ein erfrischender Minztee; das Morgengebet, das einen aus dem Schlaf reißt und die Stadt erfüllt." Zitat Seite 72 Die Geschichte des verlassenen Mädchens und ihre aufrichtige Freundschaft zu dem alten Anatole berührt mich sehr. Durch Manon gewinnt dieser alte Mann wieder Lebensmut und Zuversicht in sein einsames von Altersgebrechen gezeichnetes Leben. Auch Manon profitiert von der liebevollen Fürsorge Anatoles und entwickelt wieder Träume und die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit ihrer Mutter. Die gemeinsame Reise wird zu einer Offenbarung der Gefühle, Ängste und Erlebnisse aller Mitfahrenden. Dabei werden die Charaktere immer weiter entwickelt, bis man ihre tiefsten Sorgen und Hoffnungen kennt. Die Autorin versteht es in diesem einzigartigen Buch, wunderbar leicht über die Liebe, das Alter, die Einsamkeit und Verzweiflung, aber auch über Hoffnung und Glück zu schreiben. Diese eine Reise verbindet all diese Gefühle in wundersamer Weise miteinander. Besonders hervorheben muss ich die wunderschönen Reisebeschreibungen und fremdländischen Eindrücke, die Aude Le Corff hier vermittelt. Dadurch bekommt man das Gefühl persönlich direkt in Spanien und Marokko zu sein. Das recht abrupte Ende ist mir allerdings ein wenig zu viel "heile Welt" und hätte durchaus noch Potential zum Ausbau gehabt. Eine wunderschön erzählte Geschichte über menschliche Probleme, die wirklich mitleiden lässt. Aber auch Balsam für die Seele durch einzigartige Zitate aus Geschichten und Gedichten von Guy de Maupassant, Jean Genet, Antoine de Saint-Exupery, Stefan Zweig und Jean Lahor. Ein Buch zum Träumen und Nachdenken über die menschliche Psyche.

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