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Babscha

Posted on 3.3.2020

Die überwältigende Sinnkrise. Das orientierungs- und lustlose Taumeln eines Menschen durch sein tägliches Einerlei. Die immer wieder gestellte Frage, wie es eigentlich weiter gehen soll mit dem eigenen Leben. Das ist die dumpfe Kernthematik des Buches, hier festgemacht an einem namenlosen, in irgendeiner deutschen Stadt allein lebenden Mittdreißiger, der sich durch seine Tage kämpft und der uns seine ganze Geschichte auch selbst erzählt. Erst nach und nach lernen wir ihn besser kennen, erfahren in Rückblenden von der freudlosen Kindheit eines sensiblen Jungen mit einem tumben desinteressierten Vater und einer überforderten, mal latent, mal offen aggressiven Mutter. Eine Jugend ohne Wärme und Verständnis und vor allem ohne Leitung, Halt und Orientierung durch Eltern oder Freunde. Eine Seele auf Sinnsuche, erstarrt in einem ungeliebten Buchhändlerjob und geschlagen mit einer inzwischen an Alzheimer im Endstadium erkrankten Mutter, die in einem Pflegeheim dem Ende entgegen vegetiert. Keine leichte Ausgangslage für eine räumlich wie emotional völlig auseinander gedriftete Familie. Aber es gibt einen Funken, der verborgen glimmt. Wer Bernemann kennt, weiß, dass hier keine weinerlich vorgetragene Durchschnittsbiografie mit Betroffenheitsgarantie ausgerollt wird. Nein, in der unverwechselbaren, einfach nur in permanenter genialer Wortakrobatik schwelgenden Sprache des Autors findet dieser das perfekte Gleichgewicht zwischen einer brutal-drastischen, vulgären und explosiven Sprache und im nächsten Moment wieder einem meisterhaften Gespür für menschliche Empfindsamkeit, die er direkt aus der Seele seines Protagonisten zum Leser transportiert. Wie immer nimmt der Autor kein Blatt vor den Mund, knallt dem Leser seine Sätze einfach vor den Latz. Das muss man mögen. Und das tut es, weil es das wahre, literarisch unbeschönigte Leben widerspiegelt, so wie´s eben wirklich ist. Und von vornherein darf klar sein, dass seine Figur im Laufe der Geschichte nicht scheitern, sondern an sich selbst und anderen wachsen wird und zuletzt dann doch wieder etwas Boden unter den Füßen gewinnt. Dass dabei im Geschehen auch der Zufall zumindest ansatzweise mal leicht strapaziert wird, tut dem Ganzen überhaupt keinen Abbruch. Es geht um die Fortentwicklung eines Menschen, nicht um Nuancen im Handlungsverlauf. Das überzeugende Werk eines Autors mit tiefem Gespür für menschliche Problemzonen, die er so brachial wie gefühlvoll an die Oberfläche zu zerren versteht.

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