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Babscha

Posted on 2.3.2020

Anna Kerrigan ist ein Mädchen im New York der 30er-Jahre. Ihr Vater Eddie, gut vernetzt in der dortigen Halbwelt, führt Botengeschäfte im Auftrag dubioser irischer und italienischer Kiezgrößen durch, ihre Mutter Agnes kümmert sich um ihre jüngere, schwerbehinderte Schwester. Das Geld reicht vorne und hinten nicht, erst recht wird es schwierig, als der Vater urplötzlich die Familie verlässt und verschwindet. Die heran brechenden Kriegszeiten verkomplizieren die Dinge zusätzlich. Gerade erwachsen geworden arbeitet Anna wie viele andere Mädchen auf der Marinewerft in Brooklyn. Mit ihrem brennenden Wunsch, dort als Marinetaucherin Kriegsschiffe zu reparieren, stößt sie in eine ablehnende männerdominierte Welt vor. Gleichzeitig eskalieren auch in ihrem privaten Umfeld die Dinge immer mehr, als es ihrer Schwester zunehmend schlechter geht und sie sich nebenher auch noch auf eine äußerst komplizierte Affäre mit einem deutlich älteren, verheirateten Mann einlässt. Egan hat ein gut recherchiertes Buch geschrieben, das den amerikanischen Zeitgeist der Vorkriegs- und Kriegsjahre wie auch das Leben in den Straßen New Yorks und bei der Navy zur damaligen Zeit lebendig und detailgetreu einfängt. Eine gerade für Frauen mit Freigeist und Tatendrang ziemlich schwierige Epoche. Die sich um Anna als Mittelpunkt des Romans rankende story mit etwa zwei Handvoll Hauptprotagonisten wird eher unspektakulär erzählt, lebt aus sich selbst und benötigt im Grunde auch keine rasanten Entwicklungen und besondere Highlights. Mir war dennoch in Gänze betrachtet trotz einiger guter Ansätze der Roman dann doch zu lang, zu unspektakulär, zu abgeklärt. Einige Wendungen wirkten auf mich leicht konstruiert und nach langer Vorgeschichte zum Schluss hin dann zu hastig aufgelöst. Und trotz ihrer ganzen komplizierten und toughen Erscheinung konnte ich vor allem zu Anna selbst beim Lesen keine emotionale Schiene aufbauen, ich habe hier einfach kein Gesicht vor mir gesehen, sondern nur eine schicksalsgebeutelte junge Frau, die -trotz ihrer Leidenschaft zum Tauchen- im Grunde permanent nur versucht, irgendwie „über Wasser zu bleiben“. Keine Ahnung, warum der Funke da nicht so ganz übergesprungen ist. Ansonsten aber ein lesenswertes, gut geschriebenes Buch, das dem Leser das ziemlich harte entbehrungsreiche Leben der Großstadt in den Zeiten der Kriegswirren plastisch und gelungen nahe bringt.

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