Profilbild von Babscha

Babscha

Posted on 1.3.2020

Marjorie Standiford sitzt in einer Todeszelle in Oklahoma und steht wenige Stunden vor ihrer Hinrichtung. Angelastet werden ihr mehrere brutale Morde, begangen während einer Odyssee durch mehrere Bundesstaaten gemeinsam mit Ihrem Mann Larmont und der gemeinsamen Geliebten Natalie. In der ihr noch bleibenden Zeit bespricht sie ein Band mit ihrer Lebensgeschichte und -als dramaturgischem clou des Autors- in direkter Ansprache an den ghostwriter, der später ihre Geschichte zu einem Buch verarbeiten soll, nämlich niemand Geringerem als Stephen King. Motivation ist ihr hierfür die vertragliche Abmachung, dass der Bucherlös zum Teil ihrem allein zurück bleibenden kleinen Sohn zu Gute kommen soll. Eine außergewöhnliche Erzählperspektive, in der sich dem Leser das selbstverpfuschte Leben einer haltlosen, temporär psychotischen Frau auftut, deren Existenz sich von klein auf weitgehend um Drogen, Alkohol und schnelle Autos dreht. Getrieben von der permanenten Sucht nach dem ultimativen kick lässt sie Zufälligkeiten und andere Menschen letztlich über ihr Schicksal entscheiden. Obschon sie sich in den fünf Jahren ihrer Inhaftierung dem Religiösen zuwendet und andeutungsweise erkennt, was sie den verschiedenen Menschen und ihren Familien da angetan hat, bleibt sie bis zuletzt ohne wirkliches Unrechtsbewusstsein. Nicht mal für ihren kleinen Sohn, sondern einzig für ihren Mann Larmont, eine korrupte und zwielichtige Gestalt, kann sie wahre Gefühle entwickeln. Im Endeffekt schafft die Protagonistin es tatsächlich, auch dem Leser jede Möglichkeit von Mitleid oder Anteilnahme selbst zu verwehren, sondern ihr unabänderliches Schicksal genau wie sie selbst als logische und gerechte Konsequenz ihres Tuns zu betrachten. Ein sehr interessant und streckenweise im stil einer roadmovie-story geschriebenes Buch, dessen Reiz vor allem in der Dramarturgie der direkt und ungefiltert aus der Gedankenwelt der Protagonistin vorgetragenen "Bandaufzeichnung" liegt. Empfehlung.

zurück nach oben