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Ladybug

Posted on 18.2.2020

"Wir besiegen das Ding, mon ami. Wir besiegen es zusammen." Matthew Homes ist Patient in der Psychiatrie in Bristol. Er kämpft noch immer mit Schuldgefühlen: der Tod seines zwei Jahre älteren Bruders Simon ist seiner Ansicht nach nur durch ihn möglich gewesen. Matt ist nicht einfach, aber man muss ihn einfach mögen. Er schreibt seine Geschichte auf und erzählt so dem Leser und auch sich selbst, was damals geschah. Doch nicht chronologisch, sondern völlig durcheinandergewürfelt. Man kann Matt verstehen, wenn man selbst schon einschneidende Erlebnisse hinter sich hat, denn dann kennt man das. Da steigen beim Erzählen andere Erinnerungen hoch, die unbedingt jetzt vorher noch erzählt werden müssen und die – schafft man es bis zum Ende durchzuhalten – gar nicht so unwichtig waren, wie sie zunächst erscheinen. Der Stil ist so, wie er zu einem Psychiatriepatienten passt: man spürt gute und schlechte Tage. Matt schreibt mal sehr wach und intelligent, mal glaubt man, die Medikamente aus seinem Text zu lesen. Das macht die Story aber sehr authentisch. Auch die vermeintlich wirren Stellen lesen sich sehr gut und flüssig und immer erkennt man Matt. Ich hatte beim Lesen das Gefühl, ihn Stück für Stück kennenzulernen. Matt ist auch sehr intelligent – das beweist er an sehr vielen Stellen immer wieder. Und sagt man nicht, Genie und Wahnsinn liegen dicht beieinander? Auch die Beziehung zu seinen Eltern wird sehr schön beschrieben. Wie schön auch durch sanfte Distanz Nähe aufkommen kann, zeigt Matts Vater mit seiner Art, wie er mit ihm umgeht. Es ist so voller Liebe und gibt Matt auch deutlich Rückhalt. In diesem Buch steckt alles, was auf der bunten Pallette des Lebens zu finden ist: Liebe, Hass, Wut, Freude, Trauer, Krankheit, Gesundheit, Leben, Tod, Stillstand, Entwicklung ... und Glück – alles eben. Nathan Filer schenkt dem Leser mit „Nachruf auf den Mond“ eine wunderbare Geschichte, die viel mehr ist, als in diese 315 Seiten passt. Sie wächst außerhalb des Buches im Kopf und Herzen des Lesers noch weiter. Und doch kann ich keine vollen fünf Sterne geben. Genau benennen kann ich es nicht, was mir fehlt, was mir nicht gefällt. Vielleicht ist mir das Buch zu offen, denn ein richtiges Ende hat es nicht, das sagt auch Matt. Aber auf alle Fälle bekommt es vier blankpolierte Sterne und eine Kaufempfehlung, die aus tiefstem Herzen kommt.

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