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franziskaschönbach

Posted on 19.10.2017

Der berühmte englische Schriftsteller Jasper Gwyn, fast eines Tages einen weitreichenden Entschluss. In einem Artikel für die Zeitung schreibt er 52 Dinge nieder, die er nie wieder tun möchte. Unter anderem – nie wieder für diese Zeitung schreiben und nie wieder Bücher schreiben. Er geht befreit nach Hause, treibt ein bisschen dahin und überlegt, was er in seinem neuen Leben anstellen möchte. Er beschließt, als „Kopist“ zu arbeiten, einen Beruf, denn er quasi selbst erfindet. Doch was macht so ein „Kopist“ überhaupt? Gwyn ist überzeugt, als „Kopist“ erstellt man Porträts. Aber nicht im bekannten, herkömmlichen Sinn, als Gemälde oder auch Fotografie. Nein, er will Porträts schreiben. Wie genau und was dabei herauskommen soll am Ende, kann er selbst nicht so richtig in Worte fassen. Er muss es einfach versuchen. Und so fängt er dann, all seine Handlung nur dahingehend auszurichten. Wir begleiten diesen doch sehr eigenen und schrulligen Charakter dabei, wie er sich ein Atelier einrichtet. Dabei lernen wir gemeinsam mit ihn weitere, interessante, doch oft recht oberflächlich gezeichnete Charaktere kennen. Insbesondere in den Zeiten, als er mit den ersten Porträts startet. Fortan macht er nichts anders mehr, verschreibt sich vollkommen seiner neuen Tätigkeit als „Kopist“. Bis eines Tages eine Frau Modell sitzt, die sich seinen strengen Regeln entzieht. Alessandro Baricco konnte mich von Beginn an mit seinem sehr einnehmend Schreibstil einfangen. Aber noch mehr reizte er mich mit dieser faszinierenden Idee hinter dem Buch. Mit Mr Gwyn ist ihm ein sehr schrulliger, eigensinniger, ja fast sonderbarer Charakter gelungen. Einer, der das ganze Buch über kaum greifbar ist. Dadurch aber erst recht interessant wurde. Ein Mysterium, wie seine sogenannten Porträts. Denn diese bekommen wir selber nie zu Gesicht. Nicht mal einen einzigen Satz eines der niedergeschriebenen Porträts bekommen wir präsentiert. „Ich kann nicht umhin, mir vorzustellen, dass ich heute ein anderer Mensch wäre, wenn all das schon vor vielen Jahren passiert wäre. In aufrichtiger Dankbarkeit, Ihr Mr. Andrew Trawley.“ (S. 151) Genau das ist es, was das Buch für mich so reizvoll machte. Denn die Reaktionen auf die Porträts, von seinen Modellen, sind vielversprechend, gingen teilweise unter die Haut. Nicht nur einmal scheint er es zu schaffen, mit seinen Worten das Leben seines jeweiligen Modells zu ändern oder zumindest sehr stark zu beeinflussen. „[…] denn es sei das Kostbarste, was zu besitzen Ihnen je vergönnt war.“ (S. 158) Baricco schaffte es so, mich immer am Ball zu halten. Meine Neugierde ins Unermessliche steigen zu lassen. Doch wird diese nie befriedigt. Was genau der Zauber der Geschichte ist, hier fast schon etwas mystisches einhaucht, etwas Magie, der man sich kaum entziehen kann. Doch das Buch hatte auch seine Schwächen. Als nämlich eine junge Frau auftaucht, die sich nicht an die festgesetzten Regeln hält, die Mr Gwyn mit allen Modellen vereinbart. Danach wird die Geschichte sehr wirr, undurchsichtig, ich verstand gar nichts mehr. Das hatte zwar auch seinen Reiz, aber wie es dann im gesamten weiterging, war so unbefriedigend. Außerdem hing er sich meiner Meinung nach deutlich zu oft und hartnäckig an gewissen Äußerlichkeiten einiger Protagonisten auf, wie der Körperfüller der Assistentin von Gwyn. Sodass der Zauber doch wieder deutlich nachließ, gerade im hinteren Teil des Buches. Dennoch ist Mr Gwyn das Richtige für alle, die einen schrulligen Charakter, mit einer noch verrückteren aber wahnsinnig einnehmenden Idee begleiten möchten. Und allen, die einfach mal etwas anderes lesen möchten. Denn das schaffte Baricco allemal – eine einzigartige Geschichte, die mich in keinsterweise an bisherige gelesene Bücher erinnerte und schon allein deswegen punkten konnte.

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