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Simone Scamander

Posted on 31.1.2020

Worum geht's? 1987: Die 21-jährige Lehramtsstudentin Emma begleitet eine 12. Klasse als Betreuerin auf einer Fahrt in die Dolomiten. Dabei ahnt sie nicht, welche folgenschweren Konsequenzen dieser Ausflug für sie haben wird! Als sie im Gebirge einen Ring findet, von dem eine magische Macht auszugehen scheint, wird Emma plötzlich von zwei Schülern überfallen und schwer verletzt zurückgelassen – an einem Ort, über den der grausige Zwergenkönig Laurin herrscht, den Emma immer nur für eine Märchengestalt gehalten hat. Er hält Emma für seine Geliebte Similde, sperrt sie in seine unterirdischen Höhlen und will sie in drei Tagen zur Braut nehmen. Emma muss fliehen – koste es, was es wolle! Nur Laurins menschlicher Gefangener Jonathan ist an Emmas Seite, um ihr zu helfen. Gemeinsam überlisten die beiden den Zwergenkönig und sein Volk, doch nach ihrer Flucht sind sie noch lange nicht in Sicherheit. Laurin hat sie mit einem grausamen Fluch belegt! Und als wäre das noch nicht schlimm genug, muss Emma feststellen, dass innerhalb der kurzen Zeit im Zwergenreich fast 30 Jahre in der Menschenwelt vergangen sind… Meine Meinung: Mit „Die gestohlene Zeit“ legt Autorin Heike Eva Schmidt, die sich bereits mit Werken wie „Purpurmond“ oder „Schlehenherz“ einen Namen gemacht hat, ein neues Buch vor, für das sich vor allem junge Erwachsene mit einem Herz für Märchen begeistern können werden. Zwar handelt es sich bei „Die gestohlene Zeit“ nicht um eine Märchenadaption, wie sie zurzeit noch immer gerne geschrieben werden, aber im Großen und Ganzen dreht sich die Handlung um geheimnisvolle Sagen und Flüche. Eine märchenhafte Atmosphäre ist dem Roman, der verschiedene Genres in sich vereint, keinesfalls abzusprechen. Die Geschichte beginnt mit einem Prolog, in dem die Autorin ihren Lesern die alte Legende vorstellt, auf die der gesamte Roman aufbaut. Auf eigentümliche, aber Interesse weckende Weise lernen wir zunächst den Antagonisten und seine Hintergründe kennen: den grausamen und hässlichen Zwergenkönig Laurin. Erst im nächsten Kapitel begegnen wir Emma, die uns durch die Geschichte führen wird. Heike Eva Schmidt hat sich für „Die gestohlene Zeit“ eine wirklich außergewöhnliche Handlung ausgedacht, die amüsante Lesestunden garantiert. Spaß und Spannung wechseln sich ab und sorgen mit der sagenhaften Stimmung für echtes Pageturner-Feeling. Heike Eva Schmidt hat zahlreiche altbekannte Fantasy-Elemente in ihren Roman einfließen lassen, die sich zu einem gelungenen Gesamtbild zusammenfügen, dem man so noch nicht begegnet ist. Neben einem grausigen Zwergenkönig, einer alten Sage, einem verzwickten Fluch und einem mächtigen Ring bekommt man sogar einen Hauch Zeitreise geboten. Was auf den ersten Blick wie ein wilder Haufen zusammengewürfelter Fantasy-Elemente aussehen mag, sorgt durch ein gekonntes Zusammenspiel für abwechslungsreiche und mitreißende Magie zwischen den Buchdeckeln. Was „Die gestohlene Zeit“ leider immer wieder ein wenig ins Wanken geraten lässt, sind die langatmigen Sequenzen, die sich zwischen die bedeutsamen Kapitel drängen. Oftmals ertappt man die Handlung dabei, wie sie es Protagonistin Emma und ihren Freunden durch seltsame Zufälle und glückliche Fügungen einfacher macht als geplant. Dass nimmt dem Roman nicht nur einen Teil seiner Spannung, es macht ihn auch vorhersehbarer. Hier und da hätte Heike Eva Schmidt ihrer Geschichte mit einer kleinen Hürde für die Charaktere mehr Würze verleihen können. Die 21-jährige Emilia, genannt Emma, ist die Protagonistin und Erzählerin der Geschichte. Die Lehramtsstudentin, die tief in ihrem Herzen den Wunsch von einem eigenen Café hegt, ist eine schlagfertige junge Frau, die die Leser mit ihrer sarkastischen Art schnell für sich gewinnen kann. Sie ist eine liebenswerte Protagonistin, die man gerne auf ihrem Abenteuer begleitet, aber sie macht es einem als Leser auch nicht immer leicht. Manchmal handelt Emma so unbedarft und unüberlegt, dass man darüber nur den Kopf schütteln kann. Alles in allem machen ihre Fehlentscheidungen Emma aber nicht unsympathischer, sondern facettenreicher und plastischer. Die Liebesgeschichte, die sich zwischen Emma und Jonathan entwickelt, spielt eine wichtige Rolle, kam mir persönlich aber zu kurz. Obwohl ich in gewisser Weise nachvollziehen kann, wieso Emma so schnell dem Charme des sympathischen Jonathan verfällt, entwickelten sich ihre Gefühle zu abrupt. Ich hätte gerne mehr gefühlvolle Momente zwischen den beiden erlebt, da sie als Paar nochmals neue, intimere Seiten von sich zeigen. An dieser Stelle spricht allerdings ganz klar die Romantikerin aus mir! Heike Eva Schmidt drängt die Liebesgeschichte nicht in der Vordergrund des Geschehens und tut dem einen oder anderen Leser damit sicherlich einen großen Gefallen. Heike Eva Schmidt hat einen tollen Schreibstil, der die Seiten nahezu davonfliegen lässt. Sie schreibt mit einer natürlichen Leichtigkeit, einer lockeren Unbefangenheit, sodass man voll und ganz in die Geschichte abtauchen kann. Was an ihrem Stil besonders auffällt, ist die Authentizität, mit der sie ihren Figuren die Worte in den Mund legt. Heike Eva Schmidt wechselt je nach Charakter und Persönlichkeit problemlos zwischen altertümlichem und modernem Sprachgebrauch, zwischen humorvoller und märchenhafter Schreibe und lässt dabei niemals einen aufgesetzten oder befremdlichen Eindruck aufkommen. Cover: In Wirklichkeit sieht das Cover noch viel schöner aus als es ein Foto einfangen kann. Denn das Gold wurde mit einer speziellen Farbe auf das Buch gedruckt, dass das Cover glitzern und strahlen lässt. Im Kontrast zum dunklen Hintergrund ergibt sich ein tolles Bild, das neugierig macht. Fazit: „Die gestohlene Zeit“ von Heike Eva Schmidt ist ein toller Einzelband, der mit einer gelungenen Mischung aus Fantasy-, Sagen- und Zeitreise-Elementen für tolle Lesestunden sorgt. Dank des tollen Schreibstils der Autorin und der großartig konzipierten Handlung gerät man schnell in einen Leserausch, der einen durch die Seiten von Emmas Abenteuer fliegen lässt. „Die gestohlene Zeit“ bietet abwechslungsreiche und amüsante Unterhaltung, macht es den Charakteren für meinen Geschmack allerdings ein bisschen zu leicht. Etwas mehr Tiefe und ein paar zusätzliche Hindernisse hätten dem Roman sicherlich keinen Abbruch getan, aber auch so bietet die Geschichte alles in allem herrlichen Lesespaß. Für „Die gestohlene Zeit“ vergebe ich 4 Lurche.

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