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Simone Scamander

Posted on 31.1.2020

Worum geht's? Texas, 1899: Die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau ist klar definiert. Frauen gehören in die Küche, sollen sich um die Kinder kümmern und das Haus sauber halten. Auch die Elfjährige Calpurnia Virginia Tate soll endlich die Aufgaben erlernen, die eine gute Frau ausmachen, um bald verheiratet zu werden und eine Familie gründen zu können. Calpurnia kann mit all diesen Dingen allerdings überhaupt nichts anfangen! Viel lieber geht sie ihrem Forscherdrang nach und beobachtet in der freien Natur Flora und Fauna, um all ihre Erkenntnisse in ihr eigenes wissenschaftliches Notizbuch zu schreiben. Durch ihren Großvater, einen sonderbaren Mann mit einem ausgeprägten Interesse für alles Neue, eröffnet sich Calpurnia eine völlig neue Welt. Er lädt sie in seine riesige Bibliothek ein, lässt sie an seinen Versuchen teilhaben und macht sich mit ihr gemeinsam auf die Suche nach unentdeckten Arten. Dies sind die Dinge, die sie glücklich machen und mit denen sich Calpurnia ihr Leben lang beschäftigen möchte. Sie träumt – so abstrus es zu dieser Zeit auch klingen mag! - von einer selbstbestimmten Zukunft als Wissenschaftlerin. Im neuen Jahrhundert, das kurz bevorsteht, könnte alles möglich sein... Meine Meinung: Zu Jacqueline Kellys Debütroman kann ich eigentlich gar keine Rezension schreiben. „Calpurnias (r)evolutionären Entdeckungen“ hat mich zu stark beeindruckt, begeistert und berührt, um eine objektive Meinung niederschreiben zu können. Unbesprochen kann ich dieses wundervolle Buch allerdings auch nicht, denn die Geschichte um die Elfjährige Calpurnia, die im Jahre 1899 von einer selbstbestimmten Zukunft träumt, ist für mich zu einem absoluten Herzensbuch geworden. Eine Rezension im üblichen Sinne kann ich also nicht schreiben, eine Liebeserklärung dagegen schon. Calpurnia Virginia Tate ist eine Protagonistin, an die man nur sein Herz verlieren kann. Für Kochen, Stricken und Klöppeln, wie es sich für eine junge Dame gehören würde, kann sich Calpurnia nicht begeistern. Lieber entdeckt sie die Flora und Fauna in der Natur und jagt mit ihrem Kescher nach Schmetterlingen und sonstigen Insekten. Die „Elf-drei-Viertel-fast-Zwölfjährige“ ist trotz ihres jungen Alters ein bodenständiges und reifes Mädchen, von dessen Vernunft sich sogar die Erwachsenen eine Scheibe abschneiden könnten. Sie ist eine kleine Revolutionärin, eine Kämpferin, die fest an ihre Ziele im Leben glaubt und sich von nichts und niemanden von ihnen abbringen lässt. Calpurnia ist zugleich auch die Erzählerin ihrer Geschichte. Aus der Ich-Perspektive schildert sie das gesamte Geschehen und gibt damit einen tiefen Einblick in ihre Gedankengänge, die in einem selbst Kindheitserinnerungen wecken. Während man Calpurnia auf ihren spannenden Entdeckungsreisen begleitet, mit ihr gemeinsam das Leben erkundet oder zum ersten Mal ein Glas prickelnder Cola trinkt, fühlt man die selbe Aufregung und Freude, wie man sie vor Jahren selbst erlebt hat. Plötzlich sieht man die Welt wieder durch Kinderaugen. Alles erscheint bunter und lebendiger, ereignisreicher und bedeutender. Allein für dieses wundervolle Gefühl hätte ich mir gewünscht, dass ich niemals die letzte Seite von „Calpurnias (r)evolutionäre Entdeckungen“ erreiche. Jüngere Leser, die Calpurnias Sicht auf die Welt (noch) teilen, werden ebenso viel Spaß daran haben, die mutige Heldin auf ihrer Suche nach neuen Dingen zu begleiten und sich von ihrer Vorfreude anstecken lassen. Ein Großteil der Geschichte dreht sich um Calpurnias Beziehung zu ihrem Großvater, einem eigenbrötlerisch alten Mann, der seinen Lebensabend dazu nutzen möchte, sich der Wissenschaft zu widmen und die Welt mitsamt ihren klitzekleinen Einzelheiten kennenzulernen. In den sechs Monaten, die man Calpurnia begleiten darf, kommen sich die beiden immer näher. Mit jedem Tag, an dem sie gemeinsam Insekten untersuchen und Pflanzen entdecken, wachsen sie einander stärker ans Herz. Während Calpurnia durch ihren Großvater den Mut fasst, um ihre selbstbestimmte Zukunft zu kämpfen, taut er durch die gemeinsame Arbeit mit seiner Enkeltochter erst richtig auf. Die Beziehung der beiden Charaktere, ihre Entwicklung und auch die Bedeutung, die Calpurnia und ihr Großvater für den jeweils anderen darstellen, hat mich tief berührt und mein Herz erwärmt. Zwischen den Buchdeckeln von „Calpurnias (r)evolutionären Entdeckungen“ liegt allerdings nicht nur eine bezaubernde Geschichte verborgen. Wunderschöne und realistische Illustrationen von Insekten und Kleintieren, wie man sie sonst in bebilderten Sachbüchern findet, umrahmen die Handlung und unterstreichen die gesamte Atmosphäre des Romans. Durch sie wird „Calpurnias (r)evolutionären Entdeckungen“ zu einem besonderen Leckerbissen, der sowohl das Auge als auch die Seele glücklich stimmt. Fazit: Mit jeder Faser meines Körpers habe ich mich in dieses Buch verliebt. „Calpurnias (r)evolutionären Entdeckungen“ hat mich berührt, bewegt und begeistert. Selten habe ich eine Protagonistin und ihre Geschichte so sehr ins Herz geschlossen, dass ich die letzte Seite des Buches nicht wahrhaben wollte. Jacqueline Kelly ist ein wundervolles Debüt gelungen, das einem das Herz erwärmt und durch das man die Welt bunter und lebendiger sieht. Lest es! Sofort! Für „Calpurnias (r)evolutionären Entdeckungen“ vergebe ich von Herzen 5 Lurche.

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