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Simone Scamander

Posted on 31.1.2020

Worum geht's? Kims Leben basiert auf einer Lüge, einem unverzeihlichen Fehler, der ihr gesamtes Leben in Frage stellt: Kim wurde als Baby nach der Geburt vertauscht und wuchs bei den falschen Eltern auf. Ob das die Streitigkeiten erklärt, die sich in der letzten Zeit häuften? Kims leibliche Eltern leben in der Bretagne und laden sie ein, sie dort über die Sommerferien zu besuchen. Voller Sehnsucht nach Geborgenheit willigt Kim ein. Kaum angekommen, würde sie allerdings am liebsten eine Kehrtwende einlegen und zurück - nach Deutschland, nach Zuhause, zu ihrer Mutter. Ein Sommer voller Fragen liegt vor Kim. Ein Sommer so ungewiss und schwer, und doch voller Hoffnung und Antworten auf Fragen, die sich Kim nicht einmal zu stellen gewagt hat ... Meine Meinung: Mit "Herzmuschelsommer" hat Julie Leuze nach "Der Geschmack von Sommerregen" und "Sternschnuppenträume" endlich wieder einen neuen Jugendroman verfasst! In diesem geht es um die 16-jährige Kim, der ein schier unfassbarer Fehler den Boden unter ihren Füßen entreißt. Denn Kim wurde als Baby nach der Geburt vertauscht und wuchs ihr gesamtes Leben bei den falschen Eltern auf. Nun soll sie die Chance bekommen, ihre echten Eltern kennenzulernen … Doch das stellt sie vor große Herausforderungen. Was sind ihre leiblichen Eltern für Menschen? Was hat sie von ihnen geerbt, welche Wesenszüge, welche Talente? Und was hat die Aufdeckung des Fehlers für Konsequenzen für sie? Was passiert mit ihrer Familie, in der sie aufgewachsen ist? "Herzmuschelsommer" beschäftigt sich mit den alltäglichen Problemen eines jungen Erwachsenen: Wer bin ich, wo liegen meine Wurzeln, was ist mir wichtig? Was möchte ich aus meinem Leben machen, welche Richtung will ich einschlagen? Für Kim haben diese Fragen allerdings eine viel schwerwiegendere Bedeutung. Während die meisten Jugendlichen Eltern und ein Zuhause haben, auf die sie trotz allem bauen können, basiert Kims Leben auf einem Fehler. Einer Lüge, die alles in Frage stellt, was Kim ausmacht. Ihr gesamtes Selbstbild gerät ins Wanken. Gefühlvoll, authentisch und mit einer Aufrichtigkeit, wie man sie nur von Julie Leuze kennt, zieht die Geschichte in ihren Bann. Kim ist eine tolle Protagonistin, der man ihren inneren Zweikampf nicht bloß abkauft. Die 16-jährige wächst einem mit ihrer etwas zurückhaltenden, aber offenen und sehr ehrlichen Persönlichkeit schnell ans Herz. Das macht es leicht, sich in sie hinein zu fühlen und sich emotional an ihre Seite zu stellen. Trotz des plötzlichen Umbruchs in ihrem jungen Leben verkriecht sie sich nicht, sondern stellt sich mutig den Tatsachen. Leicht fällt ihr das nicht. Immer wieder stößt sie auf neue Details, neue Fragen, die für sie stets so selbstverständlich waren, nun aber wie riesige Gesteinsbrocken vor ihr liegen. Mit jedem weiteren Kapitel darf man sie auf ihrem Weg begleiten, sich selbst wiederzufinden. Mit ihr Höhen und Tiefen durchstehen, sich neuen Herausforderungen stellen, sich aber auch eingestehen dürfen, wenn die Last auf den eigenen Schultern zu groß wird. Die Atmosphäre in "Herzmuschelsommer" ist so wankelmütig wie Kim, mal wunderschön und hoffnungsvoll, mal bedrückend und sorgenvoll. Dank Julie Leuzes einmaligem Schreibstil kommen alle Facetten ihres Romans wundervoll zur Geltung. Sie schreibt so herrlich enthusiastisch, dass man über die Buchdeckel hinaus mit Kim um die Wette strahlt, so berührend emotional, dass das Umblättern einer einzelnen Seite plötzlich schwer wird wie Blei, und so herzergreifend romantisch, dass man beim Lesen selbst ins Schwärmen gerät. Bei Julie Leuzes Worten bleibt kein Herz still! Und genau deshalb gehört sie zu meinen unangefochtenen Lieblingsautorinnen, deren Bücher niemals aus meinem Regal verschwinden werden. Neben ihrem stimmungsvollen und ergreifenden Schreibstil gehört es ebenfalls zu Julie Leuzes Talenten, ihren Charakteren Leben einzuhauchen. Sie lesen sich nicht wie Statisten einer Geschichte, sondern wie lebendige Persönlichkeiten, so real und nahbar, dass sie tatsächlich existieren könnten. Julie Leuze steckt viel Liebe in die Ausarbeitung ihrer Figuren und nimmt sich für sie die Zeit, ihre Stärken und Schwächen, Ecken und Kanten und Träume und Ängste aufeinander abzustimmen. Obwohl sie nur Nebencharaktere sind, stecken sie voller Individualität und Natürlichkeit. Vor allem Kims Mütter haben mich mit ihren Sorgen und Hoffnungen überzeugt. Etwas schwach fand ich dafür allerdings Mia, Kims beste Freundin, die zwar rundum sympathisch, allerdings nicht so greifbar wie die anderen Charaktere war. Der starke Handlungsstrang um den verhängnisvollen Babytausch wird durch eine zarte Liebesgeschichte ergänzt. Sanft und zaghaft entwickelt Kim Gefühle für den bretonischen Padrig, der sie mit seinem Wissen um Sagen und Legenden fasziniert. Zwischen den beiden herrscht von Anfang an eine federleichte Chemie und im Laufe der Geschichte entwickelt sich daraus ein ganz besonderes Band. Man schwärmt, fiebert mit und verliebt sich sogar ein wenig selbst in Kim und Padrig. Durch den zauberhaften Schauplatz in der Bretagne erhält die Liebesgeschichte eine einzigartige Magie, die "Herzmuschelsommer" zudem zu einer tollen Sommerlektüre macht. Fazit: Mit "Herzmuschelsommer" hat die Herzensautorin Julie Leuze ein neues Jugendbuch vorgelegt, das vor der atmosphärischen Kulisse der Bretagne spielt. Protagonistin Kim lernt dort ihre leiblichen Eltern kennen, nachdem sie erfahren musste, dass sie als Baby vertauscht worden ist. Sensibel und hochemotional beschäftigt sich Julie Leuze mit den Wünschen nach Klarheit, Halt und Geborgenheit, und verwebt all dies mit einer zarten Liebesgeschichte, die "Herzmuschelsommer" zu einem perfekten Sommerbuch macht. Ein wundervolles Buch, das mit all seinen hellen und dunklen Facetten mitreißt und direkt unter die Haut geht. Bei Julie Leuzes Worten bleibt kein Herz still! Für "Herzmuschelsommer" vergebe ich 5 Lurche.

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