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DasIgno

Posted on 3.11.2019

Im Sommer 2018 reiste Sophie Passmann durch die Republik (und in die Schweiz), um mit Männern in unterschiedlich gearteten Machtpositionen über das Stereotyp des Alten weißen Mannes zu sprechen, das sich zum Feinbild zunächst feministischer, mittlerweile eines Großteils der aufklärerischen Bewegungen etabliert hat. Die Gespräche, die sie dabei mit Männern aus Unterhaltung, Politik, Medien etc. geführt hat, fasst sie im Buch reichlich kommentiert zusammen und wirft dabei spannende Lichter nicht nur auf den Feminismus in der heutigen Zeit. ›Alte weiße Männer – Ein Schlichtungsversuch‹ erschien 2019 bei Kiepenheuer & Witsch. Sophie Passmanns Buch umfasst 282 Seiten, die sich jeweils in den einzelnen Interviews gliedern. »Bist du ein alter, weißer Mann?« gehört sicherlich zu den eher ungewöhnlichen Gesprächseinstiegen, wenn man darauf aus ist, einen Mehrwert aus dem, was in den kommenden Minuten folgen wird, zu ziehen. Genau so beginnt Sophie Passmann ihre Interviews und tatsächlich ergibt sich daraus in fast allen Fällen ein Mehrwert. Sophie Passmann gehört zu den Vertreterinnen des modernen Feminismus, die gerne als Netzfeministinnen zusammengefasst und verunglimpft werden. Tatsächlich hat sich da insbesondere auf Twitter eine Blase etabliert, die ihre Forderungen nach einem modernen Gesellschaftsbild, das eben auch eine zeitgemäße Rolle der Frau impliziert, seit längerer Zeit mit wachsendem Publikum vertritt. Im Jahre 2018 begab sich Passmann also auf eine teils ungewöhnliche Reise. Sie traf sich mit Männern in unterschiedlich gearteten Machtpositionen zum gemütlichen Plausch über den Stand des Feminismus’. Das Ergebnis ist ein Potpourri teils abstruser, teils sympathischer, männlicher Meinungen und eben das Buch ›Alte weiße Männer‹. Das Buch trägt den Untertitel Ein Schlichtungsversuch und das nicht zu Unrecht. Wer hitzige Streitgespräche, in denen Passmann die größten Frauenfeinde an die Wand diskutiert, erwartet, wird sich enttäuscht wiederfinden. Passmann lässt die Männer reden – sogar Rainer Langhans und das nötigt mir wirklich Respekt ab – und kommentiert ihre Worte im Buch. Selten verletzend, oft ironisch oder sarkastisch, immer fundiert. Dabei gibt es durchaus überraschende Entwicklungen. Als ich das Inhaltsverzeichnis las, stellte ich mich innerlich schon darauf ein, die Kapitel mit Kai Diekmann und Ulf Poschardt zu überspringen – Ex-/Springer-Chefredakteure, die stehen ja eher für das Flaggschiff gegen Frauenrechte. Tatsächlich hat sich daran auch nicht viel geändert, aber so unerträglich, wie ihre Blätter, versuchen sie sich wenigstens nicht zu geben. Der verstorbene Carl Jakob Haupt und eben Rainer Langhans sind da schon ganz andere Kaliber und es fällt gerade bei Letzterem tatsächlich schwer, das Kapitel durchzuhalten. Lichtblicke gibt es natürlich auch zahlreiche – Claus von Wagner und Christoph Amend seien da beispielhaft genannt. Sprachlich ist das Buch ein Leckerbissen. Passmann weiß, dass sie schreiben kann und nutzt das auch aus. Heraus kommen dabei zwar auch schwer verständliche Sätze und manchmal verhaspelt sie sich so sehr in Schachtelungen, dass scheinbar selbst das Lektorat kapituliert hat, aber dafür ist Alte weiße Männer im Kern eben auch ein Sachbuch. Ich für meinen Teil finde das auf dem Niveau eher sympathisch – glatt geschliffene Schachtelsätze über ganze Absätze in Fachsprache würden dem recht lockeren Gesamtbild des Buches für mich nicht gerecht. Zumal es keine schwerwiegenden Fehler sind, eher solche, für die ich einen Blick für die Sprache brauche und trotzdem noch zweimal nachlesen muss, um aus dem Gefühl für einen Fehler Gewissheit zu machen. Insgesamt ist ›Alte weiße Männer‹ sehr lesenswert. Wer das große feministische Manifest erwartet, wird enttäuscht. Das Buch verspricht dieses aber auch kein bisschen. Es ist ein Annäherungs- und Erklärungsversuch und es ist vielleicht gerade weil Sophie Passmann nicht auf ihre Interviewpartner eindrischt so gut. Und für Menschen (insbesondere Männer), die bislang eher einen Bogen um Feminismus gemacht haben, gibt es einen durchaus umfassenden Einblick in das Thema.

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