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DasIgno

Posted on 19.9.2019

Berlin, 1931. In den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wirrungen der untergehenden Weimarer Republik stirbt ein Straßenkind beim Einbruch in das KaDeWe. Der Fall scheint vernachlässigbar, doch mit Alex, der Komplizin, gibt es eine Zeugin und die will Brisantes beobachtet haben: Ein Polizist soll den Jungen auf der Flucht kaltblütig ermordet haben. Zeitgleich besucht Abraham Goldstein, seines Zeichens berüchtigter Mafiakiller aus den USA, Berlin. Die Behörden sind beunruhigt, eskaliert der Kampf zwischen den Ringervereinen, die die Berliner Unterwelt beherrschen? Tatsächlich verschwinden die Anführer von Berolina und Nordpiraten, die Zeichen für einen drohenden Unterweltkrieg verdichten sich. Viel Arbeit für Kriminalkommissar Gereon Rath und die Berliner Mordinspektion. ›Goldstein‹ ist der dritte Band in Volker Kutschers historischer Krimireihe ›Gereon Rath‹. Das Buch umfasst 573 Seiten, die in 119 überwiegend recht kurze Kapitel gegliedert sind. Der dritte Fall für Kutschers Kommissar Gereon Rath setzt sich eigentlich aus einer ganzen Reihe zunächst nicht zusammenhängender Fälle zusammen. In dieser Phase, die sich über einen großen Teil des Buches zieht, steht Rath auch gar nicht so sehr im Mittelpunkt. Charly hingegen bekommt eine größere Rolle als in den bisherigen Bänden, da sie sich im Falle der Kaufhauseinbrecherin und wahrscheinlichen Mordzeugin Alex zunächst auf eigene Faust, dann mit Rückendeckung durch die Polizei engagiert. Gereon hingegen wurde quasi auf das Abstellgleis geschoben. Er ist für die Observierung von Abraham Goldstein zuständig, der sich jedoch recht wenig zu bewegen scheint, so dass Gereon eigentlich nur auf seinem Beobachtungsposten im Hotel sitzt. Parallel dazu muss er allerdings auch wieder für Dr. Marlow tätig werden, als der Boss der Berolina verschwindet und Marlow die Nordpiraten verdächtigt. Den offenen Krieg in der Unterwelt, den Marlow hier um seine Position zu halten riskieren muss, will Gereon um jeden Preis verhindern. Obwohl mir der kriminalistische Teil von ›Goldstein‹ und der Teil der Rahmenhandlung, der Marlow betrifft, sehr gut gefallen, gibt es doch auch Kritik. Schon bei ›Der stumme Tod‹ begann mich das zunehmende Beziehungsdurcheinander zwischen Gereon und Charly zu stören. Da war es noch etwas vernachlässigbarer, denn sie waren über einen Großteil der Geschichte ja getrennt. In ›Goldstein‹ entwickeln sie nun vorerst endgültig eine On-Off-Beziehung, wobei in den Off-Phasen beide ausgiebig leiden und sich eigentlich darüber klar sind, wie die Beziehung funktionieren könnte. Allerdings müssen beide jedes Mal erst lange für sich leiden, bis endlich einer über seinen Schatten springt und einen Schritt auf den anderen zu macht. Das wurde mir in ›Der stumme Tod‹ schon zu dünn für eine Rahmenhandlung, in ›Goldstein‹ hat sich das nochmal erheblich verschlechtert. Nichtsdestotrotz ist das Buch als Teil der Reihe lesenswert. Insbesondere wie Kutscher die gesellschaftlichen Entwicklungen hin zur NS-Zeit darstellt, lässt einen diese oftmals schwer nachvollziehbare Phase der Deutschen Geschichte, die wohl selten aktueller als heute war, gut miterleben. Die Nazis, hauptsächlich in Form der SA, treten nun in 1931 offen gewalttätig auf. Ihre Anhänger befinden sich in allen gesellschaftlichen Ecken, so dass auch die Polizeiarbeit zunehmend erschwert wird. Das Buch endet nach Beginn der Deutschen Bankenkrise im September 1931, als die SA mit ersten pogromartigen Übergriffen in Berlin beginnt. Diesen nun organisierten Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung – insbesondere aber nicht ausschließlich die jüdische – widmet Kutscher einen Teil seines Epilogs. Alles in allem finde ich ›Goldstein‹ als Teil der Reihe und zum Verständnis der gesellschaftlichen Entwicklungen gut. Der Band hat für mich seine Schwächen im Hinblick auf Gereons und Charlys Beziehung, der Fall und eben diese Hintergründe gleichen das aber soweit aus.

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